Bahn im Test: Jeder dritte Fernzug unpünktlich

Berlin (dpa) - Jeder dritte Fernzug der Bahn ist nach einer Analyse von Stiftung Warentest unpünktlich. Das ergab eine Auswertung von knapp 500 000 Ankünften an 20 deutschen Bahnhöfen von Juli 2010 bis Ende Februar 2011, wie die Stiftung in Berlin mitteilte.

Am wenigsten zuverlässig sind demnach Nachtzüge, aber auch Intercity und ICE. Besser schnitt der Nahverkehr ab. Nach Auswertung von 850 000 Ankünften waren demnach 15 Prozent der Regionalzüge zu spät. Nach Definition der Branche gilt ein Zug als unpünktlich, wenn er mehr als fünf Minuten nach der Uhrzeit im Fahrplan ankommt.

Die bundeseigene Deutsche Bahn widersprach den Ergebnissen der Untersuchung nicht, beklagte aber, dass sie einen falschen Eindruck vermittele. In der achtmonatigen Erhebungsphase lägen mehrere Streiktage und der Winter, so ein Bahnsprecher. „Damit verkennt die Studie, dass an den meisten Tagen die Pünktlichkeit wesentlich besser als ermittelt liegt.“

Im Jahresdurchschnitt liege die Pünktlichkeitsquote seit Jahren konstant bei mehr als 90 Prozent. Anschlusszüge würden zu über 93 Prozent erreicht. Diese Werte seien „für eines der weltweit komplexesten Bahnsysteme gut“. Wie bisher nannte die Bahn auch am Donnerstag keine nach Zugarten oder Zeiträumen gegliederten Zahlen zu den Verspätungen.

Die Warentest-Resultate sind aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn nicht überraschend. Vor allem bei Zügen, die lange Strecken fahren, seien größere Verspätungen „gefühlt auch im Alltag zu erleben“, sagte der Vorsitzende Karl-Peter Naumann der Nachrichtenagentur dpa. Grund sei die Überlastung vieler Strecken, zumal Ausweichgleise für langsamere Güterzüge abgebaut worden seien. Elektronische Stellwerke seien teils störanfällig, ebenso ältere Züge. „Die Bahn braucht neue Fahrzeuge“, sagte Naumann. Dies gebe der Konzern auch an.

Die Bahn will für rund sechs Milliarden Euro zunächst 220 Fernzüge bei Siemens kaufen und hat Doppelstock-Fernzüge bei Bombardier bestellt, die von Ende 2013 an eingesetzt werden sollen. Bereits ab Dezember 2011 sollen 16 neue ICE 3 eingesetzt werden. Um mehr Züge zur Verfügung zu haben, werden außerdem Intercity und ältere ICE derzeit technisch überholt und modernisiert.

Die Stiftung Warentest erläuterte, je weiter Züge führen, desto höher sei das Verspätungsrisiko. So seien 42 Prozent der über lange Strecken rollenden Nachtzüge unpünktlich gewesen, ICE und Eurocity zu 34 Prozent und Intercity zu 29 Prozent. Betrachtet man die Fernzüge insgesamt, so waren 33 Prozent unpünktlich: Zwölf Prozent kamen 6 bis 10 Minuten zu spät ans Ziel, zehn Prozent 11 bis 20 Minuten, vier Prozent 21 bis 30 Minuten und sieben Prozent mehr als 30 Minuten.

Im untersuchten Zeitraum war der Bahnbetrieb unter anderem durch hochsommerliche Unwetter, durch Eis und Schnee sowie mehrere Warnstreiks beeinträchtigt. Ausgefallene Züge wurden nicht berücksichtigt. Der bundeseigene Konzern fährt täglich knapp 27 000 Personenzüge mit mehr als 5,3 Millionen Reisenden.

Die höchsten Anteile verspäteter Fernzüge gab es in Erfurt mit 43 Prozent und in Leipzig mit 39 Prozent. Es folgten Hamburg mit 38 Prozent sowie Berlin und Köln mit jeweils 37 Prozent. Für die Studie hatten die Tester Informationen von der Internetseite der Bahn erfasst, die als Service für Fahrgäste unter der Rubrik „Ist mein Zug pünktlich?“ angezeigt werden.