Gerichtsbeschluss Bank darf nachträglich keine Negativzinsen einführen
Tübingen (dpa) - Eine Bank darf ihren Kunden bei schon bestehenden Verträgen nicht einfach nachträglich Negativzinsen aufbürden. Das hat das Landgericht Tübingen am Freitag entschieden. Entsprechende Klauseln verstießen gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regeln.
Zugleich deuten die Richter in ihrem Urteil aber auch an, was sie schon in der Verhandlung im Dezember hatten durchblicken lassen: Für grundsätzlich unzulässig halten sie Negativzinsen für Privatanleger nicht (Az. 4 O 187/17).
Nach Angaben der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die den Fall ins Rollen gebracht hatte, ist es die erste gerichtliche Auseinandersetzung dieser Art nach deutschem Recht.
Konkret geht es in dem Fall um die Volksbank Reutlingen, die ihre Kunden im vergangenen Sommer per Preisaushang darüber informiert hatte, dass bei bestimmten Anlageformen je nach Höhe und Laufzeit negative Zinsen - sprich: Kosten - fällig werden können. Die hat die Bank nach eigener Darstellung zwar nie wirklich von jemandem verlangt und nach kurzer Zeit auch wieder gestrichen.
Die von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geforderte Unterlassungserklärung wollte sie allerdings nicht abgeben. Sie könne Negativzinsen nicht für alle Zeiten ausschließen, wenn sie im Interesse aller Kunden, Mitglieder und Mitarbeiter dauerhaft gesund wirtschaften wolle, hatte sie argumentiert.
Dass Banken überhaupt über Negativzinsen nachdenken, liegt am Niedrigzinskurs der Europäischen Zentralbank. Die Geldhäuser müssen selbst zahlen, wenn sie Guthaben über Nacht bei der Notenbank lagern. Manches Institut will diese Belastung daher auf seine Kunden abwälzen. Bisher sind allerdings nur Einzelfälle bekannt.
Die Richter stellten nun klar: Zumindest bei Altverträgen darf eine Bank nicht einfach einseitig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen so ändern, dass darin plötzlich Negativzinsen auftauchen. Zwar schreibe das Gesetz für Zinsen kein Vorzeichen vor. Aber der Übergang vom Plus ins Minus bewirke „eine Änderung des Vertragscharakters hin zu einer Umkehr der Zahlungspflichten“, heißt es im Urteil. Das gehe nicht, schon gar nicht, wenn es für den Kunden überraschend komme. „Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedruckten aus einer Geldanlage einen kostenpflichtigen Verwahrungsvertrag machen“, sagte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Weil die Volksbank Reutlingen nicht zwischen Alt- und Neuverträgen unterschieden hatte, bewertete das Gericht die Klauseln insgesamt als unwirksam. Über Negativzinsen an sich hatte es nicht zu entscheiden.
Die Verbraucherzentrale hatte sich auf das Darlehensrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch bezogen. Und darin steht sinngemäß: Einer gibt das Geld, der andere zahlt Zinsen. Dass einer beides macht, ist nicht vorgesehen - was auch die Richter so sahen. „Das gilt nach unserer Auffassung auch für Neuverträge“, sagte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale.
Das sieht die Volksbank Reutlingen anders. Die Richter hätten gerade kein Verbot von Negativzinsen für die Zukunft ausgesprochen. Würden sie zwischen Bank und Kunde frei vereinbart, spreche nichts dagegen. „Für die Zukunft bedeutet dieses Urteil, dass die ab 2017 geschlossenen Einlageverträge der Volksbank Reutlingen grundsätzlich negativ verzinst werden dürfen“, betonte die Bank.
Sollten Banken entsprechende Verträge anbieten und Kunden das melden, werde man wohl auch gegen diese vorgehen, hieß es von Seiten der Verbraucherzentrale. Dass es im Privatkundengeschäft hierzulande in der Breite Negativzinsen geben wird, hält zumindest der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken allerdings für unwahrscheinlich. „Dazu ist der Wettbewerb in Deutschland viel zu intensiv“, betonte er am Freitag.