Bausparkassen wollen Alt-Kunden loswerden Bausparer hoffen auf Bundesgerichtshof
Immer wieder kündigen Bausparkassen Altverträge, um nicht weiter die hohen Zinsen bezahlen zu müssen. Ob sie das dürfen, entscheidet nun das höchste Zivilgericht.
Düsseldorf. Hans-Peter Burghof, Betriebswirtschaftsprofessor von der Universität Hohenheim, kann wirtschaftliche Zusammenhänge gut erklären. Und er weiß, wie man einem Thema die angemessene Dramatik verleihen kann. Eben das hat er jetzt mit dem Satz getan: „Sollte der BGH gegen die Kassen entscheiden, bekäme die ganze Bausparkassen-Branche eine schwere Grippe.“
Kann sein, dass der Bundesgerichtshof schon am Dienstag für diesen Infekt sorgen wird. Erstmals verhandelt das höchste Zivilgericht darüber, ob Bausparkassen ihre Kundschaft aus lukrativen Verträgen herauswerfen dürfen.
Bausparen galt lange Zeit als spießig. In den vergangenen Jahren des Zinstiefs wurden die Altverträge in den Aktenordnern oder Schreibtischschubladen der „Spießer“ aber zu wahren Schätzen. Das zeigt beispielhaft der Fall, über den der Bundesgerichtshof am Dienstag verhandelt und vielleicht auch schon entscheidet.
Ein Bausparvertrag funktioniert bekanntlich so, dass der Bausparer zunächst meist jahrelang niedrig verzinste Beiträge einbezahlt. Um dann, bei Erreichen einer bestimmten Summe, die Differenz zu der noch nicht erreichten Bausparsumme als günstigen Kredit aufzunehmen. Je nach Vertragsinhalt kann er aber auch weiter bis zum Erreichen der vereinbarten Bausparsumme seine Sparraten bezahlen — und sich alljährlich an den nach heutigen Maßstäben fürstlichen Zinssätzen des Altvertrags erfreuen.
In dem nun zu entscheidenden Fall sah das so aus: Eine Frau schloss im Jahr 1999 zwei Bausparverträge über 160 000 DM und 40 000 DM ab. Diese wurden im Juli 2001 zuteilungsreif. Das heißt, die Frau hätte nun das Bauspardarlehn in Anspruch nehmen können. Das tat sie aber nicht, sondern entschied sich für die andere vertraglich vereinbarte Variante: weiter einzuzahlen und einen erhöhten Zins zu kassieren.
Nach dem Vertrag betrug der Jahreszinssatz für das Bausparguthaben 2,5 Prozent und konnte bei Verzicht auf das Baudarlehen um einen Bonuszins von zwei Prozent erhöht werden. Beide Verträge waren nur zu etwa Dreiviertel angespart. Es konnte also noch viele Jahre so weitergehen, dass sich die Dame bei Weiterzahlen der Sparraten und einem Gesamtzinssatz von 4,5 Prozent an der Rendite erfreuen konnte. Erst bei voller Besparung, also bei Erreichen der Bausparsumme, wäre eine Vertragsbeendigung gerechtfertigt — so haben auch viele Gerichte entschieden.
Hier aber war die volle Besparung noch längst nicht erfolgt. Im Januar 2015 kündigte die Bausparkasse die Bausparverträge dennoch. Was die Frau nicht akzeptierte. Das Oberlandesgericht Stuttgart gab ihr Recht. Eben dieses Urteil steht am Dienstag beim Bundesgerichtshof auf dem Prüfstand.
Die Stuttgarter Richter verwiesen auf die von Bausparkasse selbst formulierten Vertragsbedingungen. Wenn ein Bausparer das Darlehn nicht abrufe, sei das kein vertragwidriges Verhalten, sondern im Bausparvertrag ausdrücklich als eine Alternative vorgesehen.
Die Richter befassten sich auch mit dem Argument der Bausparkassen in diesem und in vergleichbaren Fällen: dass sie aufgrund des Niedrigzinsniveaus in Ertragsschwierigkeiten gerieten. Weil sie die von ihnen in den Altverträgen geschuldete hohe Verzinsung nicht mehr durch neue Bausparverträge hereinholen könnten. Das habe aber doch nicht der Bausparer zu vertreten, so die Richter. Die Bausparkasse hätte von sich aus das Verlustrisiko durch geeignete Kündigungsregelungen ausschließen können. Es bestehe kein Anlass, die Ertragssituation der Bausparkasse vor Risiken zu schützen, die sie auf Grund ihrer eigenen Vertragsgestaltung freiwillig eingehe oder fahrlässig selbst verursache. Ein Sonderkündigungsrecht der Bausparkasse gebe es jedenfalls nicht.
Auch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält es nicht für verwerflich, dass der Bausparer auf seinem einvernehmlich beschlossenen Vertrag besteht. Die Bausparkassen hätten schließlich Jahrzehnte lang durch die Hereinnahme von gering verzinsten Guthaben und die Herausgabe höher verzinster Kredite Gewinne gemacht. Diese Gewinne seien längst „privatisiert“, nämlich den Eigentümern der Bausparkassen zugeflossen. Wenn nun die Bausparkassen mit einigen Verträgen Verluste erwirtschafteten, so seien diese Verluste hausgemacht.
Die Bausparkassen halten dagegen, dass sie doch auch eine Verantwortung für das Kollektiv der Bausparer hätten. Mit anderen Worten: Sie müssten hochverzinste Verträge beenden, damit Bausparer mit neueren Verträgen nicht zugunsten der Altsparer schlechte Konditionen hinnehmen müssten. Ob dieses eher moralische Argument vor dem Bundesgerichtshof sticht, erscheint angesichts der doch klaren vertraglichen Lage zweifelhaft.
Das vielleicht schon am Dienstag zu erwartende Urteil ist zwar zunächst einmal nur für den entschiedenen Einzelfall relevant. Aber auch die unteren Gerichts-Instanzen müssen sich in weiteren Fällen daran orientieren. Daher würde ein der Klägerin Recht gebendes Urteil auch andere Bausparer vor einer vorzeitigen Kündigung ihres Altvertrags schützen.
Interessant könnte die Sache auch für die Fälle werden, in denen den Bausparern aufgrund einer (ungerechtfertigten) Kündigung schon ihr Bausparguthaben ausgezahlt wurde. Diese könnten über eine Rückabwicklung nachdenken — also das Geld wieder einzuzahlen und weiter die hohen Zinsen zu kassieren. Bevor es so weit ist, muss erst das BGH-Urteil abgewartet werden.