Verdacht auf Marktmanipulation Behörde ermittelt gegen VW-Chef Müller
Stuttgart/Wolfsburg (dpa) - Die juristische Aufarbeitung des Diesel-Skandals bei Volkswagen hat nun auch Konzernchef Matthias Müller erreicht. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen des Verdachts der Marktmanipulation gegen ihn.
Ein entsprechendes Verfahren habe bereits im Februar begonnen, teilte die Behörde mit. Geklärt werden soll, ob Anleger rechtzeitig über die Folgen der Affäre informiert wurden.
Es geht dabei um Müllers Tätigkeit für die Porsche-Dachgesellschaft und Volkswagen-Hauptaktionärin Porsche SE. Dort sitzt der Manager seit 2010 im Vorstand. Auch gegen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sowie Müllers Vorgänger an der VW-Spitze, Martin Winterkorn, leiteten die Stuttgarter Ermittler Untersuchungen ein. Neben Müller waren auch Winterkorn und Pötsch für die Beteiligungsgesellschaft tätig: Winterkorn als Vorstands-, Pötsch als Finanzchef. Pötsch ist aktuell Vorstandsvorsitzender der Porsche SE.
Anlass der Ermittlungen sei eine Strafanzeige der Finanzaufsicht Bafin vom Sommer 2016, gab die Behörde bekannt. Es bestehe „der Anfangsverdacht“, dass die Manager den Anlegern die finanziellen Konsequenzen der Diesel-Affäre für die Porsche SE „bewusst verspätet mitgeteilt“ hätten. Die Porsche SE nannte den Vorwurf unbegründet, sie habe ihre „kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ordnungsgemäß erfüllt“. Ähnlich hatte sich die VW-Hauptaktionärin in ihrem Anfang der Woche vorgelegten Quartalsbericht geäußert. Die Beteiligungsgesellschaft hält 52,2 Prozent der Stimmrechte der Stammaktien an Europas größtem Autobauer Volkswagen.
2015 hatten Behörden in den USA aufgedeckt, dass Volkswagen dort die Abgasmessung von Dieselfahrzeugen manipulierte. Weltweit waren schließlich Millionen Autos von „Dieselgate“ betroffen, VW stürzte in eine tiefe Krise. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Abgasbetrugs Ende September 2015 brach der Börsenkurs der VW-Aktie ein. Laut Gesetz müssen Nachrichten, die den Firmenwert beeinflussen können, umgehend („ad hoc“) veröffentlicht werden. VW erklärte bisher, sich an alle gültigen Regeln gehalten zu haben. In den USA kam der Konzern bei der Aufarbeitung der Probleme mit 80 000 3,0-Liter-Motoren voran, dort genehmigte ein Richter am Mittwoch abschließend einen Vergleich.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist im Fall Müller/Pötsch/Winterkorn zuständig, weil die Porsche-Holding in der Hauptstadt Baden-Württembergs ihren Sitz hat. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig laufen gegen Pötsch, Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess ebenfalls Verfahren wegen möglicher Marktmanipulation im Zusammenhang mit der Abgas-Affäre. VW-Chef Müller ist dort nicht betroffen. Bei Marktmanipulation droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine hohe Geldstrafe. Ein Sprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft betonte, er gehe davon aus, dass sich die beiden Anklagebehörden über das weitere Vorgehen und die Ermittlungslage informieren und abstimmen.
Das Braunschweiger Musterverfahren um Anlegerklagen dürfte im kommenden Jahr Fahrt aufnehmen, Anfang 2018 soll früheren Angaben des Oberlandesgerichts zufolge die mündliche Verhandlung beginnen. Anfang März hatte das Gericht die Sparkassen-Fondstochter Deka zum Musterkläger bestimmt. Echte „Sammelklagen“ wie im US-Recht gibt es in Deutschland nicht. Ausnahme: Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) erlaubt für Konflikte im Kapitalmarktrecht - also beispielsweise zwischen Aktionären und Unternehmen - die Bündelung ähnlicher Ansprüche von Anlegern, die als Leitlinien herangezogen werden können.
Ein Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte bereits am vergangenen Mittwoch erklärt, dass es Anzeigen der Finanzaufsicht Bafin gegen die drei Manager gebe. Die „Wirtschaftswoche“ hatte zuvor darüber berichtet. In Braunschweig gehen die Strafverfolger in der Diesel-Affäre außerdem in mehreren Dutzend Fällen dem Verdacht des Betrugs nach - auch gegen Winterkorn.