Börse stürzt ab: Vorbote für Schlimmeres?

Die Konjunktur läuft rund. Dennoch flüchten Anleger plötzlich in Scharen aus Aktien. Ein Ausverkauf an der Wall Street zieht andere Börsen nach unten.

Nach deutlichen Abwärtstrends in den USA und in Asien hat der Dax die Einbrüche in Übersee bisher aber gut verkraftet.Experten sprechen von einer Normalisierung. Foto: dpa

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Frankfurt/Main. Ein rasanter Kurssturz an den US-Börsen schreckt Anleger rund um den Globus auf. Auch in Deutschland geht es am Aktienmarkt abwärts. Die befürchtete Panik bleibt hier zwar aus, aber die Unruhe ist groß. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt sich besorgt. Sie sagte am Dienstag vor dem Beginn der entscheidenden Phase der Koalitionsverhandlungen mit der SPD, es gehe um Wohlstand und Sicherheit in Deutschland. Eine Übersicht.

Die Sorge geht um, dass die Zinsen schneller steigen könnten als erwartet. Die Geldschwemme und Niedrigzinsen der großen Notenbanken halten die Anleger seit Jahren bei Laune, während traditionelle Sparer darunter leiden. Investoren müssen das viele Geld jedoch auch irgendwo anlegen. Da die Zinsen im Keller sind, herrscht Anlagenotstand. Investoren setzen daher verstärkt auf Aktien. Steigende Zinsen machen Anleihen von Staaten und Unternehmen gegenüber Aktien dagegen attraktiver. Zudem können steigende Zinsen die Konjunkturentwicklung dämpfen. „Es gab keinen Anlass, aber viele Ursachen. Zu stark steigende Zinsen wären nicht gut für Börse und Konjunktur“, erläutert Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.

Die US-Notenbank Fed erhöht schrittweise seit geraumer Zeit die Zinsen. Mit weiteren Schritten unter dem neuen Notenbankchef Jerome Powell wird in diesem Jahr gerechnet. Investoren befürchten aber, dass die Konjunktur der weltgrößten Volkswirtschaft heiß laufen könnte. Die Folge: Die Inflation könnte schneller und heftiger steigen als erwartet. Das würde die Fed zwingen, die Leitzinsen schneller als bisher geplant zu erhöhen, um die Preissteigerung zu dämpfen. Expertin Thu Lan Nguyen von der Commerzbank weist darauf hin, dass der jüngste Arbeitsmarktbericht der US-Regierung einen überraschend starken Lohnanstieg ausweist.

Das ist unwahrscheinlich. EZB-Präsident Mario Draghi dämpfte jüngst Hoffnungen von Sparern auf bald höhere Zinsen. „Auf Basis der heutigen Daten und Analysen sehe ich sehr wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr steigen könnten“, sagte er nach der jüngsten Sitzung des EZB-Rates Ende Januar. Denn obwohl die Wirtschaft im Euroraum inzwischen robust wächst, hinkt die Inflation hinterher. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt mittelfristig eine Teuerung von knapp zwei Prozent an. Erst dann sieht die Notenbank die Preisstabilität als gewährleistet an.

Der US-Leitindex Dow Jones war am Montag zeitweise um insgesamt knapp 1600 Zähler abgesackt — innerhalb von 15 Minuten büßte er mehr als 800 Punkte ein. Ein Großteil der Finanzmärkte wird inzwischen durch Computerprogramme gesteuert. Werden bestimmte Kursmarken nach unten durchbrochen, werden automatisch und blitzschnell weitere Papiere auf den Markt geworfen. Das verstärkt den Kurssturz. Börsianer bezeichnen dieses Phänomen als „Flash Crash“. Die Flucht aus Aktien sei durch zahlreiche sogenannte Stop-Orders noch zusätzlich beschleunigt worden.

Beobachter rechnen vorerst nicht mit einem langanhaltenden Absturz an den Börsen. „Korrektur ja, Crash und Bärenmarkt nein“, ist Ökonom Kater zuversichtlich. „Die Korrektur muss morgen nicht gleich wieder vorbei sein, sie wird aber wieder Käufer anlocken, die vorher aus dem Markt ausgestiegen waren.“ Experten der Berenberg Bank sehen die Finanzmärkte auf dem Weg zur Normalisierung. Der Kurseinbruch sei bislang nicht mehr als eine Korrektur nach der Übertreibung der letzten Monate.