Börsen-Crash: Nach der Krise ist vor der Krise

Frankfurt/Berlin. Das Casino ist wieder geöffnet, das Pokern der Banken in vollem Gange. Bester Beweis sind Milliarden-Gewinne der Großbanken und saftige Boni für Manager.

Ein Jahr nach der verheerenden Pleite der US-Bank Lehman herrscht an den Märkten wieder munteres Treiben. Doch wer genau hinsieht, merkt, dass manches anders ist: Die Politik gibt neue Spielregeln vor, um Zockern das Handwerk zu legen. Der Staat ist Mitspieler und wird erst in einigen Jahren wieder aussteigen. Die Gewinne der Banken sind alles andere als sicher, das Casino ist nur auf Probe geöffnet.

Denn die Krise wird im Herbst für eine Pleitewelle sorgen, die Arbeitslosigkeit dürfte steigen. Viele Unternehmen und Privatleute werden Kredite nicht mehr bedienen können. All das hinterlässt Spuren in den Bank-Bilanzen. Wie tief sie gehen werden, ist nicht abzusehen. Schätzungen gehen davon aus, dass deutschen Instituten bis 2011 Ausfälle von 120 Milliarden Euro bei Inlands-Krediten bevorstehen könnten. Investmentbanken dagegen verdienen schon wieder tüchtig Geld - die größten Turbulenzen seit Jahrzehnten nähren ihre Verursacher.

Nach der Krise ist vor der Krise - so könnte das Fazit der Lehman- Pleite lauten. "Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht", kritisiert der Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Auch ein Jahr danach gebe es weder eine effiziente Aufsicht noch die vielbeschworene Konsolidierung bei den Landesbanken, die sich besonders mit Schrottpapieren verspekulierten. Viele haben kein tragfähiges Geschäftsmodell. Der Föderalismus und die Eitelkeiten von Verbandsfürsten und Landespolitikern haben Fusionen maroder Landesbanken verhindert. "Das ist ein kapitaler Fehler, ein unkalkulierbares Risiko", warnt auch der Präsident der Frankfurt School of Finance and Management, Udo Steffens.

In der Not ist der Staat als Retter eingesprungen mit unabsehbaren Folgen für spätere Generationen. 480 Milliarden Euro stellte der Staat für das Banken-Hilfspaket bereit. Bisher hat der Rettungsfonds SoFFin 154,6 Milliarden Euro bewilligt, davon 132,7 Milliarden für Garantien - zumeist für die inzwischen verstaatlichte Hypo Real Estate (HRE). Auch bei der Commerzbank stieg der Staat ein. 23 Banken haben Anträge auf Staatshilfe gestellt. Damit nicht genug: Banken können mit Hilfe des Staates "Giftpapiere" in "Bad Banks" als Müllhalden auslagern - Landesbanken sogar ganze Geschäftsfelder.

Auch wenn Banken sich ans rettende Ufer hangelten - Einigkeit herrscht darin, dass der Staat keineswegs der bessere Banker ist. Er muss sich irgendwann wieder zurückziehen - die Frage ist nur, wann. "In drei bis fünf Jahren wäre das wünschenswert", sagt eine Soffin-Sprecherin. "Das hängt davon ab, wann die Banken das Geld zurückzahlen können." Manche Branchenkenner sprechen gar von bis zu zehn Jahren. Die HRE ist noch Jahre auf Staatshilfe angewiesen, bei der Commerzbank könnte der Bund seinen Anteil sogar aufstocken statt sich, wie Investmentbanker hoffen, schon bald wieder zurückzuziehen.

Was die gigantischen Rettungsaktionen den Steuerzahler kosten werden, wird sich erst in Jahren zeigen. Noch wurde keine der Garantien fällig, weshalb bisher kein Verlust zu Buche schlägt. Der Staat hat sogar einige hundert Millionen Euro an Gebühren für die SoFFin-Hilfen kassiert, die Banken konnten sogar hunderte Millionen Zinseinnahmen für die HRE-Hilfskredite einstreichen. Dennoch fehlt dem Staat Geld für Zukunftsausgaben, die Debatte um eine faire Beteiligung der Finanzwirtschaft an den Lasten beginnt erst.

Die Krise machte zumindest die Stärken des deutschen Bankensystems deutlich. Das oft belächelte Drei-Säulen-System aus Privatbanken, öffentlich-rechtlichen und Genossenschaftsinstituten hat sich bewährt. Als sicher gilt aber, dass der überwiegend marode Landesbanken-Sektor neu geordnet wird. Der Problemdruck ist zu groß, auch Bund und EU-Kommission pochen auf tiefe Einschnitte.

Ein Jahr nach der Lehman-Pleite rüstet sich die Banken-Lobby nun für die Abwehr von aus ihrer Sicht zu strengen Auflagen. Was sehr technisch klingt, könnte aber - abseits der Debatte um Bonuszahlungen und Bankengröße - am Ende ein wirksames Mittel gegen eine Neuauflage der Krise sein. Nicht nur Bundesbank-Präsident Axel Weber ist sich sicher: Das Bankgeschäft wird künftig weniger profitabel sein durch höhere Kapital- und Liquiditätsstandards. Der Drang zur Größe wird begrenzt, sagenhafte Eigenkapitalrenditen von 25 Prozent sind nicht mehr möglich. Mit der Folge, dass auch Erträge, Boni und Ausschüttungen in Zukunft deutlich geringer ausfallen.