Brexit für Stromriesen Eon und RWE ohne große Folgen
Essen/London (dpa) - Die deutschen Stromriesen Eon und RWE erwarten im Fall eines EU-Austritts von Großbritannien keine gravierenden Folgen, obwohl beide Konzerne mit jeweils rund 10 000 Beschäftigten stark auf der Insel engagiert sind.
Die Belastung bei einem Brexit liege allenfalls im kleinen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich, erklärte etwa der Finanzchef von Deutschlands größtem Energiekonzern Eon, Michael Sen, vor kurzem in der ARD.
Energieexperten machen sich aber Sorgen um den europaweiten Handel mit CO2-Zertifikaten. Falls die Briten nicht nur die EU sondern auch das CO2-Handelssystem verlassen würden - was bisher nicht entschieden ist - könnte das den Klimaschutz deutlich zurückwerfen, sagt etwa die Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Unmittelbar nach der Brexit-Entscheidung war der Wert der an der Börse gehandelten Verschmutzungsrechte für eine Tonne Treibhausgas um mehr als zehn Prozent in den Keller gestürzt. Schließlich ist Großbritannien der zweitgrößte CO2-Emittent Europas nach Deutschland. Schon die Spekulation, dass alle britischen Verschmutzungsrechte auf einen Schlag überflüssig werden könnten, drückte enorm auf den Preis. „Panik am CO2-Markt“, schrieb die “Welt“.
Die Belastung der Unternehmen durch den bevorstehenden Brexit bewegt sich dagegen auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Sie entstehe durch die Abwertung der in Großbritannien erwirtschafteten Gewinne nach dem Kursrückgang des Pfundes, sagte der Eon-Finanzchef. Dies werde aber teilweise ausgeglichen durch geringeren Schuldendienst für die Verbindlichkeiten vor Ort, die ebenfalls in Pfund laufen. Eon ist mit rund 5 Millionen Strom- und Gaskunden und knapp 10 000 Mitarbeitern eines der führenden Energieunternehmen im Königreich.
Auch RWE-Chef Peter Terium zeigte sich optimistisch. „Niemand weiß genau, welche wirtschaftlichen Folgen der Brexit langfristig haben wird“, sagte er nach der Entscheidung der Briten. „Aber ich bin sehr zuversichtlich, was unser Geschäft mit Energie und Energiedienstleistungen in Großbritannien betrifft.“ Falls es zu Handelshürden zwischen Großbritannien und der EU kommen sollte, träfen diese RWE vermutlich nur am Rande. „Das Geschäft ist regional“, erläuterte der Chef der Erzeugungsgesellschaft RWE Power, Matthias Hartung. Ausgaben und Einnahmen flössen in Pfund, daher gebe es keine starken unmittelbaren Auswirkungen.
Großbritannien ist für RWE der zweitwichtigste Markt nach dem deutschen, und der Essener Konzern hat auf der Insel ganz andere Sorgen. Als Folge ernster Computerprobleme bei Kundenabrechnungen musste RWE in Großbritannien massive Gewinneinbußen hinnehmen. Derzeit läuft ein Sanierungsprogramm, mit dem rund 2400 der zuletzt noch 11 500 Stellen gestrichen werden sollen. Auch RWE gehört mit seiner Tochter Npower in Großbritannien zu den Großen und beliefert rund 3,2 Millionen Kunden mit Strom und zwei Millionen mit Gas.