Wirtschaft Bürger machen mehr Schulden
Laut Creditreform steigt die Neigung der Verbraucher, Konsum durch Kredite zu finanzieren. Sparen ist nicht angesagt.
Düsseldorf. Immer mehr Verbraucher laufen Gefahr, sich zu stark zu verschulden. Denn obwohl sie ihre wirtschaftliche Lage negativ bewerten, sind sie bereit, Anschaffungen mit Krediten zu finanzieren. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage der Neusser Auskunftei Creditreform Boniversum hervor. Mit den Ergebnissen wird vierteljährlich der Schuldnerklima-Index erstellt, der im Frühjahr 2016 auf orange-rot zeigt. Nordrhein-Westfalen steht im Ranking der 16 Bundesländer vergleichsweise gut dar. Der Index weist hier mit 103 Punkten auf grün und somit ein stabiles bis entspanntes Überschuldungsrisiko auf. Alle Werte, die unter 100 Punkten liegen, sprechen für ein angespanntes Überschuldungsrisiko. Bremen ist mit 90,8 Punkten Schlusslicht.
„Insgesamt hat sich der Klimaindex deutlich verschlechtert“, bilanziert Ralf Zirbes, Geschäftsführer der Creditreform Boniversum GmbH. Der Index liegt aktuell bei 98,1 Punkten, im Frühjahr 2015 verzeichnete er noch 110 Punkte.
Verantwortlich für das angespannte Schuldnerklima ist unter anderem die negative Selbsteinschätzung der Verbraucher. Laut Umfrage bewerten nur rund 27 Prozent der Deutschen ihre aktuelle Lage mit einer guten oder sehr guten Schulnote. Im vergangenen Winter waren es noch rund 33 Prozent. Ihre künftige wirtschaftliche Lage schätzen nur noch 31 Prozent als positiv ein, im Winter waren es rund 34. Und das, obwohl die derzeitige Konjunkturlage positiv ist. Die Bereitschaft für Anschaffungen in den kommenden drei Monaten geht trotz der negativeren Selbsteinschätzung nicht zurück. „Beim Konsumklima-Index würde das als gutes Signal gewertet“, erläutert Zirbes. Ihm bereitet diese Tendenz eher Sorgen.
Denn die Bereitschaft der Verbraucher, Anschaffungen auch mit Krediten zu tätigen, hat wieder zugenommen. So gab etwa jeder dritte Verbraucher an, Bankverbindlichkeiten zu haben. Weitere 34 Prozent haben nach eigenen Angaben anderweitig Kredite aufgenommen. „Die Zahl derjenigen, die für Konsumgüter wie Fernseher, Computer oder Handy einen Kredit aufnehmen müssen oder wollen, ist gestiegen“, sagte Zirbes. Vielfach seien die Angebote von Null-Prozent-Finanzierungen der Auslöser. Die Anzahl der Menschen, die Kredite für wertstabile Investitionsgüter wie Immobilien oder langfristige Nutzgüter wie etwa Pkw in Anspruch nehmen, sei gleichbleibend.
Die Erhebung von Creditreform Boniversum zeigt auf, dass es drei verschiedene Kategorien bei den Schuldnern gibt. Im Frühjahr gab die Hälfte der Verbraucher an, dass sie „Schulden nur im äußersten Notfall machen, wenn es keine Alternative gibt“. Creditreform Boniversum kategorisiert sie als „Notfall-Schuldner“. Ihr Anteil nimmt zum zweiten Mal in Folge weiter ab. Jeder vierte Deutsche gibt dagegen an, Schulden grundsätzlich abzulehnen, da „man nur Geld ausgeben sollte, über das man verfügen kann“. Ihr Anteil (26 Prozent) erhöhte sich im Vergleich zum Winter um zwei Punkte. Ebenfalls jeder vierte Verbraucher zählt zu den „Schuldenpragmatikern“, für die Verbindlichkeiten „Mittel zum Zweck“ sind, die „zur vorübergehenden Finanzierung notwendiger und sinnvoller Konsum- und Lebenswünsche“ eingesetzt werden.
„Die kreditgestützte Anschaffungsbereitschaft in Verbindung mit der stagnierenden Sparbereitschaft ist besonders im Hinblick auf die Altersvorsorge bedenklich“, erläuterte Zirbes. Auch in Zeiten von Niedrigzinsen sei es wichtig, Geld zurückzulegen, um möglichst gegen Altersarmut gewappnet zu sein. „Die Sparneigung ist im Vergleich zur Auswertung im Winter gleich hoch“, berichtete der Geschäftsführer. Im Vergleich zum Frühjahr 2015 sei sie jedoch um 5,3 Punkte auf 31,9 Prozent gesunken.
Der insgesamt negative Trend des Schuldnerklimas in Deutschland zeigt sich auch in zehn der 16 Bundesländer, die alle einen Rückgang der Indexwerte aufweisen. Fünf Bundesländer bleiben über der 100-Punkte-Grenze. In diesem Jahr weisen das Saarland (103,6 Punkte, -2,7 Punkte) und Nordrhein-Westfalen (103, +0,2) sowie Hamburg (102,5, -10,7) und Thüringen (101,5, +6,6) das positivste Schuldnerklima auf. „Die Zahl in Nordrhein-Westfalen ist möglicherweise etwas zu gut“, sagte Zirbes. Würde man einen Blick in die einzelnen Regionen des Bundeslandes werfen, zeichnete sich ein Gefälle ab. „Im Ruhrgebiet wäre der Index sicher deutlich schlechter als im Rheinland und in Westfalen.“
Generell gelte für 2016: Das Schuldnerklima bleibt in den westlichen Bundesländern positiver als in den östlichen.