Chinas Wirtschaft wächst weiter nur auf Niveau der 90er Jahre
Peking (dpa) - Im zweiten Jahr in Folge wächst Chinas Wirtschaft so langsam wie zuletzt Ende der 90er Jahre.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde legte im vergangenen Jahr nur um 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu, wie das Statistikamt am Montag in Peking berichtete.
Der Anstieg der Wirtschaftsleistung lag damit auf dem gleichen Niveau wie 2012, als das Wachstum auf den niedrigsten Stand seit 1999 gefallen war. „Trotz des Abwärtsdrucks daheim und in der Welt hat sich Chinas wirtschaftliche Entwicklung stabilisiert“, sagte der Direktor des Statistikamtes, Ma Jiantang.
Der Zuwachs liegt knapp über dem selbst gesteckten Wachstumsziel der Regierung von 7,5 Prozent, wenngleich diese Vorgaben immer sehr konservativ festgelegt werden.
Allein im vierten Quartal legte die Wirtschaft etwas stärker als erwartet um 7,7 Prozent zu, lag aber unter dem Zuwachs im dritten Quartal von 7,8 Prozent. In diesem Jahr soll sich das Wachstum noch weiter verlangsamen. Die Regierung strebt vorrangig strukturelle Reformen an und will dafür auch eine geringere Wachstumsrate hinnehmen. 7 Prozent gelten aber als Untergrenze.
Auf ihrem Plenum im November hat die neue kommunistische Führung beschlossen, den Marktkräften eine größere Rolle einzuräumen. „Dass eine Verlangsamung des Wachstums erlaubt wird, ist eine gute Sache“, sagte Andrew Polk vom US-Forschungsinstitut Conference Board der Nachrichtenagentur dpa. Es sei eine Vorbedingung für Reformen. Die Probleme der Wirtschaft seien durch „übermäßiges Wachstum“ entstanden. Das größte Problem sei die Abhängigkeit von Kreditwachstum, das zu einem Berg Schulden und Instabilität am Finanzmarkt geführt habe.
„Falls die neue Führung Reformen umsetzt, wird es erst einmal geringeres Wachstum geben, aber eben langfristig einen besseren Entwicklungspfad“, sagte der frühere Präsident der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke, der Nachrichtenagentur dpa. „Ohne Reformen hat China unter Umständen dieses Jahr höheres Wachstum, aber mittelfristig ein Problem.“
Der frühere Professor an der Tsinghua Universität und heutige Chefstratege von Silvercrest Asset Management, Patrick Chovanec, sagte: „Der Abschwung ist nicht zyklisch, sondern hat strukturelle Ursachen.“ Auch Chovanec rechnet in diesem Jahr mit weniger Wachstum durch die geplanten Reformen. „Es wird noch schlimmer, bevor es wieder besser wird.“
Große Sorgen bereitet den Planern die rasant gestiegene Verschuldung von Kommunen und Staatsbetrieben. Zu den finanziellen Risiken tragen ferner die wachsende Immobilienblase, die massive Ausweitung der Schattenbanken, dubiose Kreditvergabe und spekulative Vermögensverwaltungsprodukte bei. Die Kreditvergabe wurde in der zweiten Jahreshälfte schon gedrosselt, doch will die Regierung nicht allzu stark auf die Bremse treten und das Wachstum abwürgen. Viele faule Kredite müssen jetzt aber refinanziert werden, so dass das Geld nicht der Wirtschaft zugutekommen kann.
Der Anstieg der Anlageinvestitionen kühlte sich daher zum Ende des Jahres weiter ab und erreichte im Gesamtjahr nur noch 19,6 Prozent. Das sind 1,1 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, wie das Statistikamt berichtete. Die Industrieproduktion wuchs mit 9,7 Prozent, nachdem 2012 noch zehn Prozent erreicht worden waren.
Auch wenn die Wirtschaftsleistung in China nicht mehr zweistellig wächst, erscheint der Zuwachs im Vergleich zu den Industrienationen weiter beeindruckend. Allerdings hat ein Schwellenland wie China nach Angaben von Experten auch großen Nachholbedarf und braucht hohes Wachstum, um Probleme in seiner Entwicklung bewältigen zu können.