Citigroup-Chef Vikram Pandit tritt überraschend zurück
New York (dpa) - Ging er freiwillig oder musste er gehen? Vikram Pandit hört als Citigroup-Chef auf. Er hatte die taumelnde Bank durch die Finanzkrise gesteuert, umgebaut und wieder profitabel gemacht.
Doch ihm werden auch teure Fehler angelastet. Die Wall Street rätselt.
Nach fünf Jahren an der Spitze der Citigroup ist Schluss für Vikram Pandit. Viel hat der gebürtige Inder in dieser Zeit durchgemacht: Erst die Finanzkrise, dann die Proteste der „Occupy Wall Street“-Bewegung und schließlich die Europäische Schuldenkrise. Er war dabei zumeist das nette Gesicht der Wall Street, äußerte als einer der wenigen Spitzenbanker Verständnis für die Bankenkritiker, begnügte sich sogar lange mit 1 Dollar Jahresgehalt. Nun geht er vollkommen überraschend.
„Ich habe beschlossen, dass es jetzt die richtige Zeit ist, dass jemand anderes das Ruder bei der Citigroup übernimmt“, erklärte Pandit am Dienstag in New York. „Wir sind aus der Finanzkrise als eine starke Institution hervorgegangen.“ Die Menschen werde er vermissen, gestand er ein. Doch er wisse die Citigroup in besten Händen. Der Chef des Verwaltungsrats, des höchsten Firmengremiums, dankte Pandit zum Abschied.
Doch es gibt Zweifel daran, dass der Abschied wirklich friedvoll verlief. Mehrere US-Medien berichteten, dass es zum Krach zwischen Pandit und Mitgliedern des Verwaltungsrats gekommen sei. Die Kontrolleure hätten Pandit zahlreiche Fehlleistungen aus der jüngeren Vergangenheit vorgehalten, unter anderem dass die Bank beim Stresstest der Notenbank Fed durchgefallen sei und dass der Rückzug aus der gemeinsamen Vermögensverwaltung mit Morgan Stanley zu einem Milliardenverlust geführt habe. Die Tochter hatte zu einem viel höheren Wert in den Büchern gestanden.
„Es war meine Entscheidung“, sagte Pandit dagegen dem „Wall Street Journal“ zu seinem Ausscheiden. Dem US-Wirtschaftssender CNBC sagte Pandit, er habe schon eine Weile mit dem Gedanken gespielt, zurückzutreten. Nach den Quartalszahlen am Montag, die an der Börse gut angekommen waren, habe er schließlich den Verwaltungsratschef angerufen. Sein plötzlicher Abschied habe auch nicht am Geld gelegen, versicherte Pandit.
Die Citigroup schreibt nach der Finanzkrise zwar wieder Gewinne, sie ist aber weniger profitabel als die Konkurrenz von JPMorgan Chase oder Wells Fargo. Zuletzt kamen wegen der Wertberichtigung bei der Vermögensverwaltung magere 468 Millionen Dollar im Quartal heraus, während die genannten Rivalen 5,7 Milliarden beziehungsweise 4,9 Milliarden Dollar scheffelten.
Pandits Nachfolger ist Europachef Michael Corbat, ein Veteran, der seit 29 Jahren im Unternehmen ist. Zuletzt war er für die Region Europa, Naher Osten und Afrika zuständig. Die Personalentscheidung werteten Beobachter als Zeichen der Kontinuität. Allerdings erklärte Corbat in einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter, dass es „einige Veränderungen“ geben werde.
Der gebürtige Inder Pandit hatte im Dezember 2007 das Ruder bei der Citigroup übernommen und trat damals ein schweres Erbe an. Die Citigroup hatte sich wie so viele Konkurrenten am einbrechenden US-Hypothekenmarkt verspekuliert und musste in der Finanzkrise vom Steuerzahler mit 45 Milliarden Dollar vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Der einstige Stolz der Wall Street wurde zu einem Almosenempfänger.
Pandit musste einen radikalen Schnitt machen. Aus dem Finanzkoloss, der spekulierte und in Versicherungen machte, sollte wieder eine klassische Bank werden. Pandit stieß Problemsparten ab, Zehntausende Stellen fielen weg. Das deutsche Privatkundengeschäft verkaufte er an die französische Genossenschaftsbank Crédit Mutuel; die einstige Citibank firmiert hierzulande nun unter Targobank. Durch den Umbau gelang der Citigroup die Wende.
Manche Kritiker sagen allerdings, der Umbau sei zu langsam gegangen. In Pandits Amtszeit fiel der Aktienkurs um 89 Prozent. Angesichts dessen musste sich Pandit auf der Hauptversammlung im April herbe Kritik anhören. Die Aktionäre sprachen sich gegen seinen Millionenbonus aus, den er nach langer Zurückhaltung beim Gehalt einforderte. Eine derartige Rebellion war ein Novum an der Wall Street.
Dennoch deutete zuletzt nichts auf einen Rücktritt hin. „Das ist total ungewöhnlich. Es gab keine Gerüchte, keine Hinweise“, sagte Bankenkenner, Buchautor und Bloomberg-Kolumnist William Cohan. Auch der fürs Tagesgeschäft zuständige Citigroup-Vorstand John Havens quittierte nun seinen Job. Er war ein langjähriger Weggefährte von Pandit.
Der neue Citigroup-Chef Corbat sagte, die Citigroup stehe auf einem soliden Fundament. Die Bank konzentriert sich heute vor allem auf das klassische Bankgeschäft mit Krediten und Einlagen. Zweites Standbein ist ein geschrumpftes Investmentbanking. Die Bank ist in mehr als 160 Ländern aktiv und hat rund 200 Millionen Kunden.