Das Berliner Flughafenchaos ist fast perfekt

Jetzt gibt es auch noch einen Volksentscheid für den alten Airport Tegel — FDP-Kampagne erfolgreich

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Berlin. An diesem Mittwoch ist der neue Berliner Großflughafen genau seit 1768 Tagen nicht eröffnet. Weltweit werden darüber Witze gemacht. Nun steht die Flughafenplanung der Hauptstadtregion sogar wieder grundsätzlich auf dem Prüfstand: Ein Volksbegehren, neben dem neuen Flughafen in Schönefeld auch den innerstädtischen Airport Tegel offen zu halten, überbot jetzt die erforderlich Zahl von 174.000 Unterstützern mit 204.000 Unterschriften deutlich. Das reicht, um einen Volksentscheid durchzuführen.

Weil der wahrscheinlich im Herbst zusammen mit der Bundestagswahl stattfinden wird, was eine hohe Beteiligung verheißt, könnte das von der kleinen Berliner FDP forcierte Anliegen sogar durchkommen. Denn außerhalb der vom Lärm betroffenen Gebiete in Spandau, Reinickendorf und Pankow finden viele Berliner ihren alten Airport wegen der kurzen Wege richtig klasse. Die Planer freilich stünden vor dem totalen Chaos.

Die derzeitige Lage: Der schon fast fertige neue Großflughafen in Schönefeld südlich von Berlin geht und geht nicht in Betrieb. Nicht mehr nur Probleme mit der Brandschutzanlage, sondern ständig neue Baumängel sorgen für immer neue Verschiebungen. Seit 2012 wurden schon fünf Eröffnungstermine genannt und nicht eingehalten. Derzeit ist vage die Rede von 2018 oder 2019. Die Baukosten haben sich auf über sechs Milliarden Euro verdoppelt. Geflogen sind beim neuen Großflughafen bisher nur die Bosse. Schon drei Geschäftsführer wurden verschlissen, und die Personalquerelen nehmen immer noch kein Ende.

Derweil platzt der Berliner Flugverkehr aus allen Nähten. Tegel, einst für zwölf Millionen Passagiere geplant, fertigt derzeit 21 Millionen ab — die Zustände dort sind teilweise abenteuerlich. Der alte Schönefelder Flughafen kommt auf weitere zwölf Millionen Passagiere. Auf das Gelände wartet freilich der Bund für seine derzeit noch in Tegel stationierten Regierungsflieger. Auf die Schließung von Tegel wiederum warten nicht nur rund 300.000 lärmgeplagte Anwohner, darunter auch solche, die im Vertrauen auf die Stilllegung in der Umgebung inzwischen Häuser und Grundstücke erworben haben, sondern auch die Stadtentwickler. Das Gelände soll für Wohnungsbau und als Forschungs- und Industriepark genutzt werden.

Lange argumentierte der Berliner Senat, es sei rechtlich gar nicht möglich, die Schließungs-Entscheidung für Tegel noch zu ändern. Es gibt dazu aber auch gegenteilige Rechtsauffassungen. In jedem Fall wäre eine neue, zeitraubende Planfeststellung samt Bürgerbeteiligung notwendig, denn das Bundesverwaltungsgericht hatte 2006 formuliert: „Das Ausbauvorhaben in Schönefeld und die Schließung der beiden Stadtflughäfen (damals gab es auch noch Tempelhof) bedingen einander und sind untrennbar miteinander verbunden.“ Mit anderen Worten: Wenn Tegel nicht schließt, kann Schönefeld nicht öffnen.

Das Hauptargument der Tegel-Befürworter ist die Entwicklung der Fluggastzahlen. Der neue Airport ist nämlich nur für 27 Millionen Passagiere konzipiert. „Die Kapazität des BER allein wird nicht ausreichen“, so Berlins rühriger FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. Praktisch sofort mit der Inbetriebnahme müsste in Schönefeld mit der Erweiterung begonnen werden. Bis 45 Millionen Passagiere sind dort theoretisch genehmigt.

Allerdings dürfte auch die Bequemlichkeit bei vielen Tegel-Fans eine Rolle spielen. Der alte Airport ist aus den bürgerlichen Bezirken Berlins in 15 bis 20 Minuten zu erreichen. Zum neuen, 30 Kilometer entfernten Flughafen gibt es hingegen nur eine Autobahn, die schon jetzt wegen der Pendlerströme ständig überlastet ist. Und die vorgesehene schnelle Bahnanbindung ist wegen Planungsverzögerungen ebenfalls nicht rechtzeitig fertig geworden. Das hätte auch überrascht.