Wirtschaft Der Kampf um den Brief: 20 Jahre Postgesetz
Vor 20 Jahren trat das Postgesetz in Kraft: Das Briefmonopol der Deutschen Post sollte damit schrittweise gebrochen werden - für mehr Wettbewerb, zum Vorteil der Verbraucher. Hat das funktioniert?
Berlin/Bonn. Ein Brief, der von Herzen kommt, handgeschrieben. An die große Liebe in der weit entfernten Stadt, die fortgezogene Kindergartenfreundin, die Eltern in der Heimat. romantische Erinnerungen an eine vergangene Zeit.
Private Post kommt heute meist elektronisch. Per E-Mail, Whatsapp oder Facebook. Doch Briefe gibt es noch immer. Und zugestellt werden sie nach wie vor an sechs Tagen die Woche, „von der Hallig bis auf die Alm“, wie ein Postsprecher formuliert. Jahrzehntelang war die Deutsche Post dafür praktisch alleine zuständig. Ihr staatliches Monopol verlor sie schrittweise erst seit 1998 mit dem Inkrafttreten des Postgesetzes. Das wird am 1. Januar 20 Jahre alt.
Seither ist die Deutsche-Post-Gruppe zwar immer noch das einzige Unternehmen, das im gesamten Bundesgebiet Briefe zustellt - und als sogenannter Universaldienstleister auch überallhin zustellen muss. Doch längst versuchen zahlreiche Wettbewerber mit weniger Reichweite der Post Konkurrenz zu machen. Wie erfolgreich sind sie damit, zwei Jahrzehnte nach dem Anfang vom Ende des Briefmonopols?
„Der Marktanteil der Deutschen Post ist immer noch enorm hoch“, sagt Walther Otremba, Vorsitzender des Bundesverbands Briefdienste in Berlin. Daten der Bundesnetzagentur zufolge kommt die Deutsche-Post-Gruppe im laufenden Jahr auf einen Anteil von rund 83,5 Prozent. „Den Rest teilen sich rund 50 relevante alternative Briefdienstleister.“, sagt Otremba. „Von nachhaltigem, sich selbst tragendem Wettbewerb kann damit noch keine Rede sein.“
In dieselbe Kerbe schlägt auch die Monopolkommission, die die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät: „Die Monopolkommission stellt auch zwanzig Jahre nach Inkrafttreten des Postgesetzes kaum Fortschritte bei der Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten fest“, teilte sie kürzlich anlässlich eines aktuellen Gutachtens zur Post im Jahr 2017 mit.
Noch immer genieße die Deutsche Post Privilegien wie die Umsatzsteuerbefreiung bei Universaldienstleistungen, heißt es dort. Kritisch sieht die Kommission auch, dass der Bund über die KfW-Bank mit 20,9 Prozent weiter die meisten Anteile an der Deutschen-Post-Gruppe hält.
Auch Thomas Wein, Volkswirtschaftsprofessor an der Leuphana-Universität Lüneburg und Experte bei Wettbewerbsfragen, sieht die Beteiligung des Bundes an der Deutschen-Post-Gruppe kritisch. Vor allem, weil der Bund über die Netzagentur auch für die Regulierung zuständig ist: „Lieber wäre mir, wenn Regulierungsfragen von jemandem kommen, der Schiedsrichter ist und nicht Mitspieler“, sagt Wein.
Doch was die Wettbewerbssituation angeht, differenziert der Wissenschaftler deutlich: „Meine These ist: Der geringe Marktanteil, der immer wieder ins Feld geführt wird, verdeckt ungeheuer viel.“ Wein unterteilt den Wettbewerb in drei Märkte: „Zum einen ist da das Geschäft mit den Privatkunden.“ Der klassische Liebesbrief also, oder der Weihnachtsbrief an Omi. Diesen Markt beherrsche die Post in der Tat quasi alleine. Doch dieses Geschäft spielt, was die Umsätze angeht, schon lange keine große Rolle mehr.
„Der zweite Markt ist der mit lokal orientierten Versendern, die große Mengen verschicken“, fährt Wein fort. Dazu gehörten zum Beispiel örtliche Sparkassen, kommunale Verwaltungen und ähnliche lokale Einrichtungen. „Und schließlich gibt es den Markt für die bundesweiten Großkunden.“
Auf diesen beiden Märkten sieht Wein einen deutlich stärkeren Wettbewerb. „Da steht die Post schon relativ stark unter Druck, da ist einiges passiert“, sagt er. „Der Privatkunde merkt davon natürlich nichts.“
Ähnlich argumentiert auch die Post selbst. „Der eigentliche Wettbewerb findet im Briefsektor bei den Geschäftskunden statt, wo nach unseren Schätzungen der Marktanteil der Wettbewerber inzwischen bei deutlich über 30 Prozent liegt“, teilt ein Sprecher mit, eine Zahl, von der auch die Monopolkommission in ihrem Gutachten ausgeht. Das weniger lukrative Geschäft mit den Privatkunden überließen die Wettbewerber gerne dem Marktführer, heißt es von der Post weiter.
Und der Verbraucher? Bekommt von dem Preiskampf im Großkundengeschäft kaum etwas mit. Ändern könnte sich für ihn mittelfristig allerdings etwas an der Häufigkeit der Zustellung. Vor kurzem beendete die Deutsche-Post-Gruppe ein Pilotprojekt, bei dem sie nur noch an zwei Tagen die Woche Briefe zustellte. Als Universaldienstleister, der als solcher bei zahlreichen Leistungen von der Umsatzsteuer befreit ist, müsste sie weiter täglich ausliefern. „In vielen Fällen hat man aber den Eindruck, dass die Post das gar nicht mehr schafft“, sagt Wein.
Die Briefpreise bei Privatsendungen gelten übrigens auch für Geschäftskunden. Doch gewährt ihnen die Post angesichts der großen Menge an Briefen hohe Rabatte. Für das kommende Jahr hat die Post allerdings angekündigt, diese zu reduzieren. Geschäftskunden müssen dann mehr zahlen. Privatleute betrifft das nicht. Doch sie sind für das Briefgeschäft ohnehin kaum mehr interessant. dpa