Deutsche Bank beharrt auf Agrar-Anlagen - Appell für Investitionen

Berlin (dpa) - Trotz Kritik an massiv schwankenden Nahrungspreisen als Mitursache für Hunger in der Welt will die Deutsche Bank an Finanzanlagen auf Basis von Agrarrohstoffen festhalten.

Nach einer ausführlichen Prüfung habe man „keinen Nachweis gefunden, dass die Spekulation für die Preisentwicklung verantwortlich ist“, sagte Co- Vorstandschef Jürgen Fitschen am Rande der Grünen Woche in Berlin. Regierungsvertreter aus rund 80 Staaten mahnten anlässlich der weltgrößten Agrarmesse mehr Investitionen für die Landwirtschaft in armen Länden an, um den Hunger auf der Erde zu bekämpfen. Zugleich protestierten in Berlin mehrere Tausend Menschen für eine Agrarwende.

Die Deutsche Bank will „im Interesse ihrer Kunden“ weiterhin Finanzinstrumente auf Agrarprodukte anbieten, darunter börsennotierte Indexfonds. Das hat der Vorstand beschlossen, wie Fitschen sagte. Nach Protesten von Entwicklungs- und Verbraucherorganisationen hatte die größte deutsche Bank das Neugeschäft mit solchen Anlageformen im März vergangenen Jahres vorerst ausgesetzt, um sie zu überprüfen.

Preisschwankungen gebe es „auch bei Abwesenheit von diesen Produkten“, sagte Fitschen nun. Eine Arbeitsgruppe der Bank kam zu dem Ergebnis, „dass es kaum stichhaltige empirische Belege für die Behauptung gibt, die zunehmende Bedeutung von Agrarfinanzprodukten sei für Preissteigerungen oder erhöhte Preisschwankungen verantwortlich“. Andererseits gebe es aber „zahlreiche Vorteile“ von Agrar-Terminmärkten für Landwirte und Nahrungsmittelverarbeitung.

Die Entscheidung stieß umgehend auf Kritik. Die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, sagte: „Spekulationen haben eindeutig dazu beigetragen, durch die Volatilität bei Preisen Hungersituationen gerade in kritischen Momenten zu verstärken.“ Der Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode, warf der Bank vor, sie mache sich „mitschuldig an den Hungerkatastrophen in den ärmsten Ländern der Welt“. Einige Geldinstitute haben den Rückzug aus derartigen Investments bekanntgegeben, etwa die Commerzbank.

Am Rande der Grünen Woche warben Regierungsvertreter aus rund 80 Ländern und die Welternährungsorganisation FAO dafür, mehr für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern zu investieren. Ziel sei, das Agrar-Potenzial weltweit zu nutzen und zugleich den Umwelt- und Klimaschutz zu berücksichtigen, sagte Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) als Gastgeberin ihrer Amtskollegen. Hunger herrsche vor allem in ländlichen Regionen, viele Betroffene seien Kleinbauern. Für mehr öffentliche und private Investitionen müssten die Rahmenbedingungen vorhanden sein, etwa politische Stabilität.

FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva sagte, es gebe einen immer engeren Zusammenhang zwischen Lebensmittelsicherheit und allgemeiner Sicherheit, also „zwischen Krieg und Hunger“. Seit 20 Jahren investierten aber nur noch die meist armen Bauern allein. Gebraucht werde mehr Geld von privaten Firmen und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Nach FAO-Schätzungen sind jährlich rund 63 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen im Agrarsektor nötig.

Unter dem Motto „Wir haben es satt“ demonstrierten am Samstag in Berlin tausende Menschen für eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft. Anlässlich der Grünen Woche zogen nach Angaben der Organisatoren rund 25 000 Demonstranten vor das Kanzleramt. Der Protest richtete sich unter anderem gegen Massentierhaltung, Pestizid- Einsatz und wachsenden Preisdruck auf Kleinbauern in ärmeren Ländern. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger, forderte neue Weichenstellungen in der Agrarpolitik.

Aigner wies die Kritik zurück. „Wer eine Agrarwende fordert, muss sehen, was Deutschland hier schon geleistet hat: Wir sind bei der Ökologisierung der Landwirtschaft weiter als die meisten Staaten Europas.“ Auf der 78. Grünen Woche strömten am Samstag Tausende Besucher in die Hallen unter dem Funkturm, um Spezialitäten zu probieren oder sich über Produkte und Tiere zu informieren. Bis zum 27. Januar erwarten die Veranstalter mehr als 400 000 Gäste. Partnerland sind in diesem Jahr die Niederlande.