Börse Deutsche Bank macht Milliarden-Verlust
Die Rechtsstreitigkeiten sorgen für tiefrote Zahlen 2015. Co-Chef Jürgen Fitschen sagt beim Neujahrsempfang in Düsseldorf: „Wir müssen noch immer aufräumen.“
Düsseldorf/Frankfurt. Die Deutsche Bank ist noch tiefer in die roten Zahlen gerutscht als erwartet. 2015 habe sich wegen hoher Ausgaben für Rechtsstreitigkeiten, Kosten für den laufenden Konzernumbau und Stellenstreichungen ein Verlust von rund 6,7 Milliarden Euro angehäuft, schrieb das Geldhaus am Mittwochabend überraschend in einer Ad-hoc-Mitteilung. Experten hatten zwar wegen der bereits bekannten Ankündigung von Abschreibungen im Investmentbanking und im Privatkundengeschäft, Rückstellungen für juristische Auseinandersetzungen und Abfindungen bereits mit einem dicken Minus gerechnet. Sie hatten dabei aber einen Verlust von etwas mehr als fünf Milliarden Euro auf dem Zettel.
Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen, der Mitwoch Co-Gastgeber des Neujahrsempfangs der Deutschen Bank im Museum Kunstpalast in Düsseldorf war, hatte dort lediglich durchblicken lassen, dass die rechtlichen Auseinandersetzungen das Ergebnis der Bank „erheblich belasten werden“. Er warb dafür, zwischen dem operativen und dem durch die Einmaleffekte belasteten Ergebnis zu unterscheiden. Zu den bereits bekannten Kosten und Aufwendungen kommen im vierten Quartal 2015 nun weitere 1,2 Milliarden Euro für Rückstellungen, um die Folgen früherer Geschäfte juristisch zu beenden. Zudem drücken die Probleme im Privatkundengeschäft, in dem sich das Institut im laufenden Jahr von der Postbank trennen will, auf das Ergebnis. Insgesamt belasten die Kosten für die Neuausrichtung und Abfindungen das Ergebnis im vierten Quartal mit rund 800 Millionen Euro. Zudem müssten weitere 100 Millionen Euro abgeschrieben werden, so dass sich die Sonderbelastungen im vierten Quartal auf etwas mehr als zwei Milliarden Euro summieren. Die 6,7 Milliarden Euro sind der größte Jahresverlust für den deutschen Branchenprimus und der zweite seit 2008. Für 2014 hatte die Bank noch 1,7 Milliarden Euro Gewinn ausgewiesen.
Fitschen ging in seiner Rede vor rund 400 Gästen in Düsseldorf auch auf die Situation in Europa ein. Er warnte vor Forderungen nach verschärften Grenzkontrollen. „Ein solcher Prozess könnte auch die deutsche Wirtschaft teuer zu stehen kommen.“ Er erinnerte an die Errungenschaften der Globalisierung. „Wenn an den Grenzen wieder kontrolliert wird, werden wir merken, was wir an Freiheit hatten.“ Sicher sei, dass es „ungemütlicher“ werde. „Ich hätte nie gedacht, dass wir uns einmal darüber unterhalten müssen, ob Europa noch zusammenhält.“ Dies habe zwar auch etwas mit der Flüchtlingskrise zu tun. Es gehe aber tiefer: Die Themen seien Solidarität und Solidität. „Das Jahr 2016 wird zum Schicksalsjahr für Europa“, sagte der Co-Chef der Deutschen Bank.
Das laufende Jahr dürfte auch angesichts des Mega-Verlustes 2015 für die Deutsche Bank ein schwieriges werden. „Es gibt bessere Augenblicke, ein Haus zu verlassen“, gab Fitschen (67) am Mittwoch zu. Er wird mit Ablauf der Hauptversammlung am 19. Mai nach 47 Berufsjahren in den Ruhestand gehen. „Man hinterlässt gern ein bestelltes Haus.“ Dies aber werde ihm nicht gelingen. „Wir müssen noch immer aufräumen, was nach den Exzessen in der Vergangenheit in den Büchern steht.“ Mehr als elf Milliarden Euro hat die Bank seit dem Jahr 2010 an Strafen zahlen müssen. Auch Fitschen selbst muss sich derzeit in München vor Gericht verantworten. Das Verfahren um angeblichen Prozessbetrug im Streit mit dem Medien-Unternehmen Kirch zieht sich in die Länge. Fitschen und die Ex-Bank-Chefs Josef Ackermann und Rolf Breuer werden vermutlich noch monatelang Woche für Woche vor Gericht erscheinen müssen.
Parallel zu all den rechtlichen Baustellen steht der Umbau der Bank an, den Fitschen am Mittwoch als „ehrgeiziges Unterfangen“ bezeichnete, für das das Geldhaus noch ein wenig Zeit brauchen werde. Drei grundlegende Aussagen sind für den scheidenden Chef mit der „Strategie 2020“ verbunden. „Wir bekennen uns zum Universalbanksystem. Wir bleiben global aufgestellt, auch wenn wir uns aus einigen Märkten zurückziehen. Und: Wir stellen den Kunden in den Mittelpunkt.“ Ein anderes Vorgehen sei für ihn nicht akzeptabel.
Umgesetzt werden diese Pläne von John Cryan, der die Bank ab Mai alleine führen wird. In Deutschland geht es vor allem um den Stellenabbau in den Filialen, die Schließung von 200 der aktuell 700 Ableger und die Verwaltungsbereiche. 3200 von 12.000 Stellen sollen im Privat- und Firmenkundengeschäft wegfallen. Filialschließungen soll es vor allem in Großstädten und Ballungsgebieten geben. In der Verwaltung geht es um rund 1800 Stellen. Für diese Maßnahmen hat die Bank nun finanzielle Vorsorge getroffen. Vermutlich wird Cryan auch an die Bonuszahlungen vor allem der Investmentbanker rangehen. „Banker verdienen zu viel“, sagt der Brite.