Deutsche Börse kämpft um LSE-Fusion
Frankfurt/Main (dpa) - Zur Rettung ihres Fusionsplans mit der Londoner Börse LSE zieht die Deutsche Börse alle Register. Um die Zustimmung der eigenen Eigentümer zu sichern, senkte der Dax-Konzern kurzfristig die Mindestannahmequote.
Nun soll das Fusionsvorhaben weiter betrieben werden, wenn mindestens 60 Prozent der Aktionäre ihre Anteilsscheine zum Umtausch in Papiere des fusionierten Unternehmens anbieten. Bislang lag die geforderte Quote bei 75 Prozent.
Zudem verlängerte das Unternehmen die Umtauschfrist um zwei Wochen bis einschließlich 26. Juli (24.00 Uhr). Bislang haben nur knapp ein Viertel der Aktionäre zugestimmt, die Frist wäre eigentlich an diesem Dienstag (12. Juli) abgelaufen. Sollte die Annahmeschwelle nicht erreicht werden, wäre der Deal geplatzt. Allerdings ist es üblich, dass sich ein Großteil der Investoren erst auf den letzten Drücker entscheidet. „Offenbar ist die Fusion doch nicht so gottgewollt, wie (Börsenchef Carsten) Kengeter gesagt hat“, sagte der Vizechef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Klaus Nieding, dem „Handelsblatt“ (Dienstag). Er forderte angesichts des drohenden Brexits erneut, das Angebot nachzubessern.
Die gesenkte Quote begründete die Börse damit, dass Indexfonds ihre Papiere üblicherweise erst nach Erreichen der offiziellen Hürde umtauschen können. Sie halten rund 15 Prozent der Aktien der Deutschen Börse. Das würde bedeuten, dass die Börse dann in der zweiwöchigen Nachfrist nach dem offiziellen Ablauf der Umtauschzeit noch auf die erhoffte Dreiviertel-Zustimmung kommt.
Deutsche-Börse-Finanzvorstand Gregor Pottmeyer erklärte, die Änderung sei „lediglich technisch bedingt“: „Wir sind davon überzeugt, dass wir die Schwelle von 75 Prozent im Verlauf des Übernahmeprozesses erreichen werden.“
Als viel größeres Hindernis gilt ohnehin die Zustimmung zahlreicher Aufsichtsbehörden. Mit dem britischen Votum für einen EU-Austritt haben sich die Rahmenbedingungen für die im März ausgehandelte Fusion der beiden Börsenbetreiber deutlich verändert. Viele Aktionäre der Deutschen Börse zweifeln, ob sich der Deal für ihr Unternehmen noch lohnt. Nach dem Absturz des britischen Pfunds und dem Rückgang des Aktienkurses infolge des Referendums hat die London Stock Exchange (LSE) allerdings deutlich stärker an Wert verloren als die Deutsche Börse.
An dem ausgehandelten Machtverhältnis soll sich dennoch nichts mehr ändern. Festgelegt ist, dass die Deutsche Börse künftig gut 54 Prozent an dem gemeinsamen Konzern halten soll. Die Konzerne werben unter anderem mit Kosten- und Umsatzvorteilen von rund 700 Millionen Euro für den Zusammenschluss. Um den Deal zu retten, könnte die Deutsche Börse das Angebot auch noch nachbessern, in dem sie etwa ihren Aktionären eine Sonderdividende zahlt. In der vergangenen Woche hatten die Aktionäre der LSE bei einer außerordentlichen Hauptversammlung mit 99,9 Prozent für die Fusion gestimmt.
Erheblicher Gegenwind kommt von Aufsehern. Die EU-Wettbewerbshüter müssen ebenso zustimmen wie die im hessischen Wirtschaftsministerium angesiedelte Aufsicht für die Frankfurter Wertpapierbörse. Dass London wie bislang vorgesehen rechtlicher Hauptsitz des fusionierten Konzerns wird, ist nach dem Brexit-Votum kaum noch vorstellbar. Als Kompromiss hat Deutsche-Börse-Chef Kengeter inzwischen eine doppelte Holding oder einen Sitz an einem neutralen Ort in der EU, etwa Amsterdam, ins Spiel gebracht. Dazu fehlt aber bislang ein Bekenntnis aus London. Die Regierung des scheidende Premier David Cameron hatte bisher London als Sitz der Konzernholding zur Bedingung gemacht.