Deutsche Industrie hofft nach Frühjahrsmüdigkeit auf Sommerhoch
Hannover (dpa) - Deutschlands Industrie setzt beim Warten auf Wachstum alle Hoffnungen auf Schwung in der zweiten Jahreshälfte.
Die zentralen Branchenverbände waren sich am Montag zum ersten Tag der weltgrößten Industrieschau Hannover Messe einig, dass vieles in dem stark exportabhängigen Wirtschaftszweig auf eine Belebung in Richtung Sommer deute. Angesichts der Konjunkturprobleme in Europa ruht das Augenmerk erneut auf den Märkten in Übersee. Doch auch Russland, das Partnerland der Messe, wächst in seiner Bedeutung als Umsatzstütze.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der russische Präsident Wladimir Putin versprachen am Montag, den Handel zwischen den beiden Ländern weiter ankurbeln zu wollen. Beim Messerundgang der Politiker geriet die Wirtschaft jedoch kurz ins Hintertreffen, als mehrere barbusige Demonstrantinnen gegen Putins Menschenrechtspolitik protestierten.
Die deutschen Maschinenbauer gaben sich zuversichtlich: Nach dem schwachen Jahresstart verspreche der Sommer merklichen Schub. „Zwei Prozent sind nach wie vor machbar“, sagte der Chefvolkswirt des Branchenverbands VDMA, Ralph Wiechers, und bestätigte damit die Wachstumsprognose für 2013. Nach einem sehr verhaltenen Jahresbeginn deute unter anderem die Auftragseingangsentwicklung auf Besserung hin. Allein der überwiegend mittelständisch geprägte deutsche Maschinenbau stand 2012 für gut 200 Milliarden Euro Umsatz.
Nach Einschätzung des Industriespitzenverbands BDI sollen vor allem Impulse aus den USA und China die deutsche Wirtschaft in eine vielversprechendere zweite Jahreshälfte ziehen. „Wir sehen gute Chancen, dass die deutsche Wirtschaft im Laufe des Jahres deutlich an Fahrt gewinnt“, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo. Die BDI-Wachstumsvorhersage von „bis zu 0,8 Prozent“ habe weiter Bestand.
Der BDI ist damit zuversichtlicher als die Bundesregierung, die nur ein Mini-Plus von 0,4 Prozent sieht. Die Wirtschaftsweisen hatten ihre Prognose für 2013 sogar auf magere 0,3 Prozent gesenkt.
Auch der Elektronikindustrie-Branchenverband ZVEI erwartet, dass die Dynamik im Jahresverlauf allmählich weiter zunimmt. Die wichtigsten Wachstumsimpulse dürften die Schwellenländer setzen.
Neben den Branchenaussichten lag der Fokus am ersten Messetag ganz auf dem Partnerland Russland, das mit seiner Industrie den bisher größten Auslandsauftritt organisierte. Das Land, das auch als Europas wichtigster Gaslieferant eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielt, ist ein bedeutender Importeur von Maschinen und Anlagen.
Putin kündigte bei seinem Messerundgang mit Merkel einen nachhaltigen Ausbau der bilateralen Handelsbeziehungen an. 2012 lag das Handelsvolumen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei rund 80 Milliarden Euro. Der Kremlchef sagte, die Messe habe eine große Bedeutung für den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Es gelte vor allem, in seiner Heimat mittelständische Unternehmen zu stärken.
Auch mit Blick auf die Standortpolitik deutscher Firmen wächst Russlands Bedeutung. Jeder fünfte deutsche Maschinenbauer plant laut einer VDMA-Umfrage bis 2015 ein Montage- oder Produktionswerk in Russland. Aktuell haben demnach nur acht Prozent der Befragten Fabriken im größten Flächenland der Erde.
Kurzfristig überschattet wurde Merkels und Putins Rundgang, als am Volkswagen-Stand mehrere Demonstrantinnen mit blankem Busen auf Putin zustürmten. Auf ihren Oberkörpern prangten Aufschriften wie „fuck dictator“. Putin steht bei Menschenrechtsaktivisten seit längerem in der Kritik. Die Kritik am jüngsten Vorgehen der russischen Behörden gegen zivile Einrichtungen, die Geld aus dem Ausland erhalten, hatte auch die Messeeröffnung am Sonntag getrübt.