Deutsche Wirtschaft legt Pause ein
Wiesbaden (dpa) - Die deutsche Wirtschaft hat nach dem rasanten Jahresstart einen Gang zurückgeschaltet. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im zweiten Quartal gegenüber dem starken ersten Vierteljahr um 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte.
Zum Jahresauftakt hatte die Wirtschaftsleistung noch um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugelegt. Außenhandel und Konsum hielten die Konjunktur im Frühjahr am Laufen. Die Unternehmen hielten sich mit Investitionen dagegen zurück, das bremste das Wachstum.
Vor allem die Bauinvestitionen sanken deutlich. „Dies ist jedoch nur die logische Folge des witterungsbedingt starken ersten Quartals“, erklärte Stefan Kipar von der BayernLB. Durch den milden Winter wurden Projekte vorgezogen. Dieser Effekt entfiel nun. Volkswirte hatten insgesamt mit einer stärkeren Konjunkturabkühlung im zweiten Quartal gerechnet. Im Schnitt erwarteten sie ein Wachstums von nur 0,2 Prozent.
Dank der Konsumlust der Verbraucher und der Ausgaben des Staates für die Unterbringung und Integration Hunderttausender Flüchtlinge blieb die Wirtschaft auf Wachstumskurs. Angekurbelt wurde die Konjunktur von April bis Juni nach Angaben der Wiesbadener Behörde insbesondere auch vom Außenhandel.
Zwar hatte der deutsche Export im ersten Halbjahr angesichts der Eintrübung der Weltwirtschaft an Schwung verloren. Die Unternehmen exportierten aber immer noch mehr als im Vorjahr. Die Importe sanken hingegen leicht. Unter dem Strich trug der Außenhandel damit maßgeblich zum Wachstum bei.
„Dieser dürfte sich jedoch - gerade mit Blick auf die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die EU zu verlassen - zum Jahreswechsel 2016/17 eher gedämpft entwickeln“, erklärte Ferdinand Fichtner, Leiter Konjunkturpolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Zwar dürfte es im zweiten Halbjahr weniger rasant nach oben gehen, sagte auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Warnungen vor einem Unsicherheitsschock durch die Brexit-Entscheidung seien jedoch überzogen. „Viel wichtiger als der Brexit ist für die deutsche Wirtschaft die nachlassende Nachfrage aus China und der starke Konsum im Inland“. Diese gegenläufigen Einflüsse sollten sich weiter weitgehend die Waage halten.
Getragen werden dürfte das Wachstum nach Einschätzung von Ökonomen in den kommenden Monaten vor allem vom privaten und staatlichen Verbrauch. Vielen Verbrauchern sitzt das Geld seit Monaten locker, weil Sparen kaum noch belohnt wird und die gesunkenen Energiepreise die Haushalte zusätzlich entlasten. Löhne und Renten steigen und die Inflation ist niedrig. Zudem ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt unverändert gut. Im Juli lag die Zahl der Arbeitslosen auf dem niedrigsten Stand in diesem Monat seit 25 Jahren.
Auch im Vorjahresvergleich wuchs die deutsche Wirtschaft: Das preisbereinigte BIP stieg um 3,1 Prozent und damit so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr, kalenderbereinigt ergab sich ein Plus von 1,8 Prozent.