Deutschland mit Import-Rekord
Berlin (dpa) - Die deutsche Wirtschaft hat im November Geschichte geschrieben: Sie importierte so viel wie nie zuvor seit Beginn der Statistik 1950. Im Jahresvergleich erhöhten sich die Einfuhren nach Deutschland um ein Drittel auf 75,1 Milliarden Euro.
Die Ausfuhren kletterten um 21,7 Prozent auf 88,0 Milliarden, den höchsten Wert seit Oktober 2008, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Die deutsche Industrie erhielt allerdings einen kleinen Dämpfer: Ihr Produktionsrückgang im November fiel mit 0,7 Prozent stärker als erwartet aus.
„Der kräftige Anstieg der Importe zeigt, dass die deutsche Binnenkonjunktur weiter an Kraft und Dynamik gewinnt“, sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Die Exporte hätten „praktisch wieder das Niveau vor der Krise“ im Herbst 2008 erreicht. Allerdings verlaufe die Entwicklung nach dem fulminanten Exportwachstum im ersten Halbjahr „erwartungsgemäß in etwas ruhigeren Bahnen, der Welthandel habe „einen Gang auf Normalwachstum zurückgeschaltet“.
Unterm Strich schaffte Deutschland im November einen Außenhandelsüberschuss von 12,9 Milliarden Euro, kalender- und saisonbereinigt von 11,8 Milliarden Euro. Zugpferde für den deutschen Export seien neben den aufstrebenden Schwellenländern nun auch wieder verstärkt die EU-Länder, sagte Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel (BGA). „Was kaum möglich schien: Ende des Jahres (2010) werden wir 90 Prozent des Kriseneinbruchs wieder aufgeholt haben.“
Die Metall- und Elektro-Industrie arbeitet sich weiter aus der Krise heraus: Die Auftragseingänge übertrafen im November das Vormonatsergebnis um rund 7,5 Prozent. Insgesamt habe die M+E- Industrie bis November in der Produktion etwa 70 Prozent des Kriseneinbruchs aufgeholt, bei den Auftragseingängen rund 80 Prozent.
Vergleichsweise magere Zuwächse verbuchte der deutsche Einzelhandel im Jahr 2010: Die Umsätze stiegen laut Statistischem Bundesamt nominal um 2,5 bis 2,7 Prozent. Im November erzielte der Einzelhandel in Deutschland nach den vorläufigen Ergebnissen aus sieben Bundesländern nominal 3,8 Prozent und real 2,0 Prozent mehr Umsatz als im November 2009. Der Dezember ist in der Jahresbilanz noch nicht berücksichtigt, nach früheren Angaben des Handelsverbandes HDE erlebten die Einzelhändler „das beste Weihnachtsgeschäft seit Jahren“.
Commerzbank-Analystin Ulrike Rondorf bezeichnete die Handels- Zahlen als „eine negative Überraschung angesichts der positiven Stimmung“. In den Umsätzen sei von dem so viel heraufbeschworenen Boom des deutschen Konsums nicht viel zu sehen.
Die Wirtschaft in der Eurozone wuchs im dritten Quartal etwas schwächer als zunächst ermittelt: Im Vergleich zum Vorquartal stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Eurostat um 0,3 Prozent. In der ersten Schätzung war noch ein Anstieg von 0,4 Prozent ermittelt worden. Im zweiten Quartal hatte der Anstieg noch bei 1,0 Prozent gelegen. Die Arbeitslosenquote in der Eurozone lag wie im Vormonat bei 10,1 Prozent.
Vorfreude auf einen möglicherweise freundlicheren US- Arbeitsmarktbericht ließ den Eurokurs in der Nacht zum Freitag unter die Marke von 1,30 US-Dollar rutschen. Am Morgen kostete die europäische Gemeinschaftswährung 1,2986 Dollar. Ein Dollar war damit 0,7698 Euro wert. Am Freitagnachmittag sollte sich zeigen, ob die positiven Signale für den US-Arbeitsmarkt auch tatsächlich in einen kräftigen Anstieg der Beschäftigung mündeten, schrieb die Landesbank Hessen-Thüringen.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, verlangte von den EU-Staaten größere Anstrengungen zur Stabilisierung des Euro. Eine Inflationsgefahr sehe er aber nicht, sagte Trichet bei einer CSU-Tagung in Wildbad Kreuth. Der EU warf er Versagen in der Wirtschaftspolitik vor: Obwohl diese mit der Währungspolitik die entscheidende Säule der Europäischen Union sei, hätten Staaten den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht, verletzt und gegenseitige Kontrolle versäumt.