Die Börse in Düsseldorf: Glanz, Elend, Hoffnung

Einst war der Handel mit Wertpapieren in der Landeshauptstadt von NRW führend in Deutschland. Heute liegt die Chance in der kreativen Nutzung von Nischenmärkten.

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Düsseldorf. Anfang der 1970er Jahre war die Welt aus Sicht der Düsseldorfer Börse rosarot. Mit einem Marktanteil von rund 35 Prozent war sie der umsatzstärkste Werthandelsplatz in Deutschland — vor Frankfurt. An der Königsallee residierte Friedrich Wilhelm Christians, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Auch die Top-Leute der anderen Großbanken waren häufiger in ihren Büros am Rhein als in der Mainmetropole. „Wir Vorstände trafen uns regelmäßig. Damals wurden Entscheidungen von nationaler Bedeutung in Düsseldorf getroffen“, erinnert sich Ludwig Poullain, zu jener Zeit Chef der Westdeutschen Landesbank (WestLB).

Hauptgrund für den Aufstieg Düsseldorfs zur Finanzdrehscheibe war die überragende Bedeutung der NRW-Wirtschaft für die ökonomische Kraft der ganzen Republik. Doch die Gewichte verschoben sich zulasten des Landes an Rhein und Ruhr. Frankfurt stieg zum führenden deutschen Finanzplatz auf. Dennoch spielte Düsseldorf weiter in der ersten Börsenliga.

Das änderte sich ab 2007. Sowohl die Deutsche Industriebank (IKB) als auch die WestLB hatten sich mit US-Immobilienpapieren gründlich verspekuliert. Das Epizentrum der Finanzkrise lag, was Deutschland betrifft, in Düsseldorf. Die Institute wurden zunächst mit Steuermilliarden gerettet. Später folgte die Zerschlagung. Für den Finanzplatz am Rhein ein Desaster.

Doch dabei blieb es nicht. Im Herbst 2007 kündigte die Frankfurter Börse den Vertrag über die Beteiligung ihres Konkurrenten in Düsseldorf am elektronischen Handelssystem Xetra. Über Nacht wurde den Wertpapiergeschäften am Rhein der Boden entzogen, denn der Handel am Computer hatte längst den Parketthandel abgelöst. Der Börsensaal in Düsseldorf, in dem einst Makler und Händler ihre Abschlüsse mit Aktien und Rentenpapieren machten, war schon im Jahr 2000 abgerissen worden.

Ohne die Beteiligung an Xetra brach das Handelsvolumen in Düsseldorf regelrecht ein. Waren es 2007 noch 330 Milliarden Euro, sackte das Volumen bis 2014 bis auf 28 Milliarden Euro ab. Seitdem nennt Düsseldorf keine Umsatzzahl mehr.

2017 folgte die Fusion der arg gebeutelten Börse am Rhein mit den Konkurrenten in Hamburg und Hannover unter dem Dach der Börsen AG. Viele Jahre war die WestLB größter Aktionär der Düsseldorfer Börse. Nach deren Untergang hielt die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) als Rechtsnachfolger das größte Aktienpaket. Ziel der EAA ist es aber, alle Vermögenswerte nach und nach zu verkaufen. Auch die anderen Aktionäre, insgesamt 42 Banken, hatten kein Interesse an der Fortführung einer unabhängigen rheinischen Börse.

Hamburg, Hannover und Düsseldorf bringen es zusammen auf ein Handelsvolumen von rund 22 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Frankfurt werden allein mit Aktien weit mehr als 1000 Milliarden Euro im Jahr umgesetzt.

Dennoch ist Thomas Dierkes, Geschäftsführer der Börse Düsseldorf, davon überzeugt, dass der Wertpapierhandel in der NRW-Landeshauptstadt eine Perspektive hat. Als Hoffnungsträger für die acht Mitarbeiter am Ernst-Schneider-Platz taugt vor allem der elektronische Marktplatz Quotrix. Der Umsatz auf dieser Plattform hat sich 2017 mehr als verdoppelt. Quotrix ist vor allem für Privatanleger interessant, weil bei den Geschäften keine Börsenkosten (Courtage und Transaktionsentgelt) anfallen. Hinzu kommt eine gegenüber Xetra längere Handelszeit von 8 bis 22 Uhr. Das Spektrum umfasst rund 12 000 Wertpapiere, darunter auch viele ausländische Titel.

„Das Interesse an Quotrix bei den Instituten wächst“, so Dierkes. Neben klassischen Anbietern wie Banken und Sparkassen zählen auch Online-Broker wie Flatex, SBroker und die Onvista Bank zu den Marktteilnehmern. Dass die goldenen 70er Jahre nicht zurückkehren werden, ist aber auch Dierkes bewusst. „Wir suchen unseren Platz in der Nische.“