Die Dellen-Doktoren reisen den Hagelstürmen hinterher

Eine kleine Branche profitiert von Unwetter-Schäden.

Wolfsburg. Ende Juli östlich von Hannover: Hagelkörner groß wie Tennisbälle zerstören nahe Peine jedes dritte Dach. Im größten Automobilwerk der Welt, bei VW in Wolfsburg, trifft es Tausende Neuwagen. Niedersachsens größter Versicherer VGH meldet Rekordschäden, vergleichbar mit dem Orkan Kyrill 2007. Was nur wenige wissen: Ereignisse wie dieses erwecken eine kleine Branche zum Leben.

„Wenn es hagelt, ist Saison. Und dieses Jahr ist es extrem“, sagt Wolf-Henning Hammer, Chef im Bundesverband Ausbeultechnik und Hagelinstandsetzung (BVAT). Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft betrug der Aufwand für Sturm, Hagel und Blitz bei Pkw 2011 deutschlandweit 690 Millionen Euro.

„So groß ist unsere Industrie aber bei weitem nicht“, sagt Guido Dilk vom Anbieter KHS, ein Gründungsmitglied im BVAT. Schließlich laufe ein Großteil des Geschäfts über herkömmliche Karosserie- und Lackierbetriebe. Eine Handvoll Dellendoktoren dominiere das mobile Geschäft mit den Sammelbegutachtungen im Großschadensfall. Ein Teil sei bundesweit aufgestellt, andere agieren global. KHS hat Niederlassungen in Italien, Schweden, der Schweiz, Frankreich und in den USA. KHS-Chef Dilk glaubt, dass das Hageljahr 2013 noch intensiver als 2008 werde.

Damals traf ein Hagelsturm allein 30 000 Neuwagen am VW-Werk in Emden und sorgte für einen Großeinsatz der Branche. Laut Hammer vom BVAT charterten Hageltechniker aus dem Ausland Ferienflieger oder mieteten Reisebusse. „Die Technik samt mobiler Büroausstattung ist immer schon fertig verpackt. Denn ein Zeitvorteil ist auf jeden Fall sinnvoll“, sagt Hammer.

In der VW-Stadt Wolfsburg sind derzeit die Hotelbetten knapp. Hunderte Hageltechniker sind in und um Wolfsburg unterwegs, nicht nur bei VW. Die Dienstleister mieten Scheunen oder bauen gleich mobile „Besichtigungspavillons“ auf. Wer wie bei VW an die Großaufträge kommen will, muss Personalpower haben. Der Branchenriese Douteil aus NRW etwa kommt auf einen Fuhrpark mit 100 Fahrzeugen und 50 Anhängern.

Die Nachfrage ist auch für Kfz-Betriebe ein Standbein. So bieten Handwerkskammern Fortbildungen an zur „Fachkraft für innovative Fahrzeugaufbereitung“. Inhalt: Lackschadenfreie Ausbeultechnik.