Die Schuldnerampel steht auf Rot

Die Zahl der überschuldeten Verbraucher ist wieder gestiegen.

Foto: dpa

Düsseldorf. Bei der deutschen Wirtschaft lief es bis jetzt so gut wie lange nicht, der Arbeitsmarkt ist europaweit ein Musterknabe — und doch sind in diesem Jahr so viele Deutsche überschuldet wie lange nicht. Fast jeder zehnte Verbraucher in Deutschland gilt laut der Wirtschaftsauskunft Creditreform als überschuldet, 6,7 Millionen Menschen über 18 Jahre sind betroffen. Die Schuldnerquote in Deutschland ist von 9,81 auf 9,9 Prozent gestiegen. „Angesichts der extrem guten konjunkturellen Situation sind diese Zahlen besorgniserregend“, sagt Helmut Rödl von Creditreform. In NRW liegt die Schuldnerquote im Durchschnitt sogar bei 11,46 Prozent. Ein Überblick über regionale Aspekte und Gründe für die milliardenschwere Schuldenlast.

Der Süden Deutschlands liegt deutlich vor dem Norden — das Schlusslicht bildet seit 2008 der Westen. NRW gehört zu den drei Bundesländern mit dem stärksten Anstieg der Schuldnerzahlen. Die Quote liegt bei 11,46 Prozent. Vor allem das Ruhrgebiet ist laut Creditreform-Sprecher Michael Bretz das „Sorgenkind“. Hier finde sich eine Gemengelage aus hoher Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut und einem hohen Anteil an sozialen Transferleistungen. An der Spitze der Schuldenhochburgen unter den NRW-Städten steht Wuppertal. Dort liegt die Schuldnerquote bei 17,77 Prozent der Menschen über 18 Jahren. Unter den Städten mit mehr als 400 000 Einwohnern gibt es laut Studie nur drei mit einer Abnahme der Schuldnerquote im Langzeitvergleich. Dazu gehören die Städte Düsseldorf und Köln. Dies hängt laut Bretz aber vor allem damit zusammen, dass die Städte bei steigenden Überschuldungsfällen von Bevölkerungszuwächsen profitieren.

Die Zahl junger Schuldner unter 30 Jahren ist leicht um 45 000 auf 1,75 Millionen zurückgegangen. Laut Creditreform ist aber die Zahl überschuldeter Senioren rasant angestiegen. 134 000 Menschen über 70 haben zu viele Schulden. Als einen Grund nennt Bretz den hohen Anteil an Senioren, die auf Grundsicherung angewiesen sind. „Für sie ist es fast unmöglich, der Schuldenfalle je wieder zu entkommen.“

Auch wenn nach wie vor der Satz „Überschuldung ist Männersache“gilt, ist die Zahl überschuldeter Frauen deutlich gestiegen. Aktuell gelten 2,56 Millionen Frauen als überschuldet. Dabei leiden Frauen deutlich stärker unter dem Schuldenstress als Männer, so Creditreform.

Neben den klassischen Gründen für Überschuldung wie Arbeitslosigkeit, Trennung, Erkrankung oder gescheiterter Selbstständigkeit spielt bei der Zunahme in diesem Jahr vor allem der Konsumrausch eine Rolle. 2013 haben die deutschen Verbraucher mit knapp 1,6 Billionen Euro so viel konsumiert wie noch nie, wie aus der Studie hervorgeht. Damit sei der oft kreditfinanzierte private Konsum zu einer Stütze der Binnenkonjunktur geworden. „Viele haben sich zu viel zugemutet“, sagt Bretz. Die niedrigen Zinsen hätten den Trend noch verstärkt.

Sorgen bereitet Bretz, dass die „Sockelverschuldung“ in den vergangenen Jahren um 500 000 Fälle zugenommen hat. Mindestens eine Million Menschen sei von dem Phänomen der im familiären Umfeld verankerten Verschuldung betroffen. „Offensichtlich bleiben immer mehr Menschen generationsübergreifend im Griff der Überschuldung oder lernen nie, sich daraus zu befreien.“ Creditreform spricht von „vererbter Verschuldung“.

Bei einer Umfrage deutscher Sozialämter kristallisierten sich als Gründe für die generationenübergreifende Verschuldung mehrere Gründe heraus: Mangelnde Selbstverantwortung, negative Vorbilder in der Familie und bei Staaten sowie ein Mangel an Finanzkompetenz. „Viele haben einfach nie gelernt, verantwortungsvoll mit Geld umzugehen“, so Bretz.

creditreform.de

Der Herausforderung Demenz begegnen
Welt-Alzheimertag: Für Betroffenen und deren Angehörige stellte das Velberter Demenznetz zahlreiche Angebote vor Der Herausforderung Demenz begegnen