E10-Debakel kommt Autofahrer teuer zu stehen

Berlin (dpa) - Es war klar, dass die Autofahrer die Absatzschwäche beim Biosprit E10 zu bezahlen haben. Die Strafen für die Nichterfüllung der vom Staat verordneten Biokraftstoffquote werden laut ADAC seit Wochen auf den Spritpreis aufgeschlagen.

An der Tankstelle kann man schon von weitem auf einem riesigen Aufsteller die Botschaft vernehmen, dass das alte Super 95 wieder verkauft wird. Auf vielfachen Kundenwunsch sei der Sprit mit nur fünf Prozent Ethanol wieder im Sortiment, heißt es bei Aral. Der Biosprit E10 fristet dagegen weiter ein Nischendasein. Das Bundesumweltministerium sieht einen Grund darin, dass die Mineralölkonzerne E10 nie so beworben haben wie andere Spritsorten.

Das nunmehr schon ein halbes Jahr andauernde Absatzdebakel werden nun diejenigen ausbaden müssen, die mit ihrem Käuferstreik letztlich dazu beitragen, dass die Bioquote von 6,25 Prozent gemessen am gesamten Kraftstoffabsatz in diesem Jahr kaum erfüllt werden kann. Zuletzt tankten laut Mineralölwirtschaftsverband nur 13,9 Prozent aller infrage kommenden Fahrer E10. Die Branche hatte ursprünglich mit einem E10-Anteil am Super-Benzin von 90 Prozent gerechnet.

Dass der Chef der Aral-Mutter BP Europa, Uwe Franke, mit saftigen Strafzahlungen rechnet, ist nicht neu - aber er nennt nun Zahlen. „Die Kosten für die Nichterfüllung der Quote dürften vermutlich für die Branche zwischen 300 bis 400 Millionen Euro liegen“, sagte Franke den Zeitungen der „WAZ“-Gruppe. Am Ende werde den Unternehmen nichts anderes übrig bleiben, als die Kosten an die Kunden weiterzugeben.

Damit setzt sich das Schwarze-Peter-Spiel, dass schon die Einführung begleitete und im von Schuldzuweisungen geprägten „Benzingipfel“ im Wirtschaftsministerium mündete, fort. Damals war die weitere Einführung auf halber Strecke gestoppt worden, weil die Raffinerien auf vollen E10-Tanks saßen. Statt die neue Hauptsorte beim Super zu werden, wurde wieder mehr Super mit fünf Prozent Ethanol produziert - und getankt.

Das Haus des zuständigen Umweltministers Norbert Röttgen (CDU) sprach der Spritbranche immer wieder die Bereitschaft ab, E10 mit dem notwendigen Einsatz zu unterstützen. Die Unternehmen verweisen darauf, dass die E10-Einführung der staatlichen Biokraftstoffquote geschuldet sei. Seit dem „Benzingipfel“ im März hätten sie alles getan, damit die Information an Tankstellen über die Verträglichkeit von E10 weiter verbessert wird.

Dazwischen steht der verunsicherte Autofahrer, der die Biospritstrategie angesichts der Diskussion um eine angebliche Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion kritisch sieht. Zudem wird der Klimanutzen bezweifelt und viele fürchten um ihren Motor. Dabei sind bisher keine E10-Schäden bekannt. In den USA gibt es E15 und in Schweden E85 - hier werden „Flex-Fuel“-Autos mit Motoren, die Ethanolbeimischungen von 0 bis 100 Prozent vertragen, gefördert, um weg vom Erdöl zu kommen, das knapper wird.

Letztlich gibt es aber für den deutschen Autofahrer auch keinen echten Anreiz, den Sprit mit einem Zusatz von Getreide und Rüben zu tanken. E5 ist zwar etwa drei Cent teurer, enthält aber mehr Energie, so dass der Unterschied durch die höhere Fahrleistung ausgeglichen wird. Damit sind E5 und E10 gemessen am Nutzen ungefähr gleich teuer.

Der ADAC warnt die Mineralölkonzerne nun, mit dem Argument der Strafzahlungen, deren Höhe erst nächstes Jahr feststeht, weiter an der Preisschraube zu drehen. Angesichts der Differenz von 3 Cent je Liter zwischen dem günstigeren E10 und dem alten Super seien Zahlungen für verfehlte E10-Quoten schon jetzt im Preis inbegriffen. „Die Mineralölkonzerne legen seit Beginn des E10-Einführungsprozesses im vergangenen Februar die fälligen Strafzahlungen auf den Benzinpreis um“, betont ADAC-Präsident Peter Meyer.

Beim Mineralölwirtschaftsverband (MWV) deutet man an, dass vielleicht mal über die Quote gesprochen werden müsse. Und sowieso sei das reine Tankgeschäft kein gewinnbringendes Geschäft in Deutschland, meint Sprecherin Karin Retzlaff. „An einem Liter Sprit wird knapp 1 Cent verdient.“

Die Bundesregierung macht bisher keine Anstalten, von der Quote abzurücken. Umweltminister Röttgen war zuletzt vor allem mit Atomausstieg und Energiewende beschäftigt, sein Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) hatte 2009 eine erste E10-Einführung rechtzeitig gestoppt. Langfristig dürften die Autofahrer nicht bereit sein, für die Absatzschwäche zu zahlen. Bis 2020 soll die Biokraftstoffquote auf knapp zehn Prozent steigen - wie das klappen soll, darauf müssen Röttgen und die Spritbranche bald Antworten finden.