Empörung über geplante Bahn-Totalsperrung
Hannover (dpa) - Die kurzfristig angekündigte Sperrung der ICE-Schnellfahrstrecke Hannover-Kassel in drei Wochen soll nach einem Kompromissvorschlag Niedersachsens zeitweise ausgesetzt werden.
Die Arbeiten könnten zwar wie geplant am 23. April beginnen, würden aber während der Hannover-Messe morgens und abends für je zwei Stunden ruhen. „Auf diese Weise könnte zumindest der Hauptmesseverkehr ohne Verzögerungen abgewickelt werden und man würde wohl auch nicht den Pfingstreiseverkehr tangieren“, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Er reagierte auch auf empörte Reaktionen der Wirtschaft, die einen enormen Imageschaden befürchtet.
Lies hatte seinen Vorschlag Bahnchef Rüdiger Grube und Vorstand Volker Kefer unterbreitet. „Herr Grube und dann auch Herr Kefer in einem weiteren Telefonat haben mir zugesagt, diese Idee zu prüfen“, sagte Lies. Auf der wichtigen Strecke müssen vom 23. April bis 8. Mai wegen Bauarbeiten täglich 160 Züge umgeleitet werden, wie ein Konzernsprecher sagte. Betroffen davon wären auch Besucher der weltgrößten Industrieschau Hannover Messe (24.-29. April), zu der nach Angaben des Ministeriums 15 000 Besucher aus den südlichen Bundesländern und weitere 10 000 aus dem Ausland mit der Bahn aus Richtung Frankfurt anreisen werden.
Das Bundesunternehmen hatte die Arbeiten am Donnerstagabend kurzfristig angekündigt. Die Strecke werde gesperrt, um Schotter im Gleisbett auszutauschen. Es wird im Fernverkehr neben einzelnen Ausfällen Umleitungen mit bis zu einer Stunde längeren Fahrtzeiten geben. Auch der Nahverkehr und Güterzüge sind betroffen. Das Bundesverkehrsministerium betonte, Aufgabe der Bahn sei es, die Bauarbeiten zügig durchzuführen und Beeinträchtigungen für die Kunden so gering wie möglich zu halten.
Die Deutsche Messe wies auf enormen Unmut unter den Ausstellern hin. Der im Ausstellerbeirat der Messe sitzende Chef der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN), Volker Müller, warnte vor einem enormen Imageschaden, die Sperrung sei eine „dramatische Fehlentscheidung“. „Es ist undenkbar, dass der US-Präsident am fraglichen Wochenende in Hannover ist und Hannover auf dem Schienenweg nicht mehr vernünftig erreichbar ist“, sagte er.
Während die Welt zu Gast sei, um den Aufbruch der Wirtschaft in der digitale Welt von morgen nachzuspüren, setze die Bahn Signale, die an längst vergangene Zeiten erinnerten. Auch die Informationspolitik der Bahn sei eine Katastrophe gewesen. Viele der meist im Süden Deutschlands sitzenden Maschinenbauer prüften ihre Anreise noch mal.
Bei der Hannover Messe reisen viele ausländische Besucher und Aussteller über das Luftverkehrs-Drehkreuz Frankfurt am Main und nehmen dort den Zug. Es sind auch mehrere Demonstrationen mit bis zu 30 000 Teilnehmern angemeldet. Die Händel-Festspiele in Göttingen (5.-13. Mai) fürchten, zahlreiche Gäste zu verlieren.
Nach Bahn-Angaben war das Ausmaß der Schotter-Probleme Anfang Februar noch nicht bekannt, als der Konzern das Bauprogramm für dieses Jahr vorstellte. Die Auswirkungen für die Kunden sollten so gering wie möglich gehalten werden, betonte die Bahn.