Eon und RWE unter Druck: Kostenexplosion durch Atom-Stresstest?
Berlin/Frankfurt (dpa) - Anleger haben sich nach Spekulationen über eine drohende Kostenexplosion beim Atomausstieg in großem Stil von Aktien der großen Energiekonzerne Eon und RWE getrennt. Deren Kursrutsch zog zeitweise sogar den Dax nach unten.
Zuvor berichteten der „Spiegel“ und die „Rheinische Post“ unter Berufung auf Erkenntnisse von Wirtschaftsprüfern, den Versorgern fehlten womöglich Rückstellungen von bis zu 30 Milliarden Euro, um den Abriss der Meiler und den Bau eines Atommüll-Endlagers langfristig bezahlen zu können.
Wegen der Turbulenzen sah sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kurz vor der Sondersitzung des Kabinetts zur Flüchtlingskrise genötigt, persönlich die genannten Zahlen zu dementieren. „Es finden in diesen Stunden unverantwortliche Spekulationen zum Stresstest für Kernenergie statt“, sagte er in Berlin.
Gabriel hatte im Juni Wirtschaftsprüfer beauftragt, zu prüfen, ob die Rückstellungen der Atomkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW von insgesamt 36 Milliarden Euro ausreichen und sicher sind.
Nach den Medienberichten sollen dem Eon-Konzern, der
bisher gut 16 Milliarden Euro zurückgelegt hat, laut einem Entwurf für das Gutachten 9 bis 12 Milliarden Euro fehlen, bei RWE soll die Lücke angeblich bei 7,5 bis 10 Milliarden Euro liegen. Auch bei EnBW und Vattenfall gehe es um Milliarden.
Gabriel betonte, die „aktuellen Zahlenspiele“ seien keine Grundlage für konkretes politisches Handeln. Es gebe noch gar keine Ergebnisse, auch keinen Entwurf eines Gutachtens. „Für die negativen Marktreaktionen gibt es aus Sicht des Wirtschaftsministeriums überhaupt keinen Anlass.“
Die im Dax notierten Aktien der Versorger befanden sich zunächst im freien Fall: Die Titel von RWE stürzten auf ein Rekordtief, auch bei Eon stand in der Spitze ein Tagesminus von fast 13 Prozent. Im Tagesverlauf dämmten die beiden größten deutschen Energiekonzerne ihre Verluste aber deutlich ein.
Noch im September soll im Kabinett ein Gesetzentwurf von Gabriel verabschiedet werden, damit sich die Energiekonzerne nicht durch die Abtrennung ihrer Atomtöchter vor der Haftung drücken können. Eon hat daraufhin bereits entschieden, seine Atomkraftwerke nun doch im Mutterkonzern zu lassen und nicht wie geplant in ein neues Unternehmen auszulagern. Auch laufen gerade Gespräche zwischen Politik und Industrie, eine Atom-Stiftung oder einen Fonds einzurichten.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte: „Riesige Finanzlücken bei den vier deutschen Atomkonzernen sind hohe Risiken für alle.“ Die Konzerne spekulierten wohl darauf, dass am Ende die Steuerzahler bei den Kosten des Atomausstiegs einsprängen. Mit der Energiewende wird spätestens 2022 das letzte deutsche Kernkraftwerk abgeschaltet.