EU-Agrarreform: Mehr Öko auf dem Acker
Brüssel (dpa) - Europa reformiert die Landwirtschaft: Die Bauern sollen mehr für die Umwelt tun. Darauf haben sich die EU-Staaten und das Europaparlament am Mittwoch nach tagelangen Verhandlungen geeinigt.
Abstimmen wollten die Abgeordneten im Agrarausschuss des Europaparlaments aber erst einmal nicht: Sie vertagten die ursprünglich anvisierte Abstimmung auf den Herbst. Zudem blieben offene Fragen.
„Ich bin erfreut über diese Einigung, die der gemeinsamen Agrarpolitik eine neue Richtung gibt“, erklärte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos. „Wir berücksichtigen die Erwartungen der Gesellschaft stärker.“ Die Reform werde die großen Unterschiede bei den Zahlungen an die Bauern verkleinern.
Es geht um viel Geld in der europäischen Landwirtschaftspolitik: So sind derzeit knapp 40 Prozent des 130 Milliarden Euro umfassenden EU-Haushalts für das laufende Jahr für die Landwirtschaft reserviert. Fast drei Viertel der europäischen Agrargelder gehen direkt an die 13,7 Millionen hauptberuflichen Landwirte. Der Rest fließt in Förderprogramme für den ländlichen Raum.
Eines der Herzstücke der Reform ist mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft. So sollen ab 2015 fünf Prozent der landwirtschaflichen Fläche stärker der Natur überlassen werden, zum Beispiel als Brachen oder Grünstreifen. Dies soll Wildtieren Rückzugsräume schaffen und Raum für Artenvielfalt bieten. Wiesen und Weiden sollen bewahrt werden, bei den Pflanzen auf dem Acker sollen die Bauern für Abwechslung sorgen.
Dreißig Prozent der Zahlungen, welche die Bauern als Direktzahlungen direkt aus Brüsseler Töpfen erhalten, bekommen sie künftig nur noch, wenn sie umweltfreundlicher wirtschaften. Das ist schon länger beschlossen. Inklusive zusätzlicher Strafkürzungen drohen den Bauern Verluste von bis zu 37,5 Prozent ihrer Direktzahlungen. Umweltverbänden geht das nicht weit genug: „Die ebenso zahlreichen wie kreativen Ausnahmeregelungen“ drohten die gute Absicht zu untergraben, kommentierte die Umweltorganisation WWF. Auch der Ökobauern-Verband Bioland forderte besseren Umweltschutz.
Freude in der Süßwarenindustrie löste die Entscheidung aus, die Mengenbegrenzung beim Zucker Ende September 2017 auslaufen zu lassen. „Die Zuckerquote passt nicht mehr in die Zeit. Sie führte in den vergangenen Jahren zu einem akuten Zuckerengpass mit einem extremen Anstieg des Zuckerpreises in der EU“, kommentierte Karsten Daum, Sprecher des Infozentrums Zuckerverwender.
Um die Bauern in Preisverhandlungen mit den Zwischenhändlern mehr Gewicht zu geben, will die EU Erzeugerverbände stärken. Deutschland sieht solche Eingriffe in die Märkte ebenso wie Stützungskäufe bei fallenden Preisen mit Skepsis. Bei den Nachtverhandlungen der EU-Landwirtschaftsminister in Luxemburg, die dem Kompromiss am Mittwoch vorausgingen, lenkte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Ende aber ein - um einen Kompromiss zu ermöglichen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wandte sich am Mittwoch beim Bauerntag in Berlin gegen Markteingriffe. Bauernpräsident Joachim Rukwied warnte: „Wir laufen Gefahr, uns von einer zukunftsorientierten und vor allem gemeinsamen Agrarpolitik, die einen relativ gleichmäßigen Rahmen für alle Bauern in Europa setzt, zu verabschieden.“
Offene Fragen blieben am Mittwoch noch, was die Umverteilung von Fördergeldern angeht. Zwar können die Staaten kleine Höfe stärker fördern, das ist aber nicht zwingend. Zu Förderkürzungen bei Großbetrieben gab es hingegen keine Einigung. Diese Frage hängt ebenso wie die Mittelvergabe für die ländliche Entwicklung mit den Verhandlungen zwischen EU-Staaten und Europaparlament über den Finanzrahmen bis zum Jahr 2020 zusammen. Doch bei diesen schwierigen Gesprächen herrscht derzeit Stillstand. Die Umweltorganisation Friends of the Earth fürchtete Vorteile für industrielle Großbetriebe, auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirte forderte stärkere Umschichtungen.
„Die Schlussabstimmung wird erst dann möglich sein, wenn wir die Gesetzestexte kennen“, sagte De Castro. Auch die noch ausstehende Einigung von Europaparlament und EU-Staaten über den EU-Finanzrahmen bis zum Jahr 2020 müsse erst stehen. Er versicherte aber: „Wir haben eine politische Einigung erreicht“.