EU einigt sich auf Bankenaufsicht
Brüssel (dpa) - Mit einer zentralen Bankenaufsicht ab 2014 machen die 17 Euroländer einen riesigen Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Finanzmarkt. Nach 14-stündigen Marathonverhandlungen einigten sich die EU-Finanzminister am frühen Donnerstagmorgen in Brüssel auf das Mammutprojekt.
Mit der Aufsicht soll das gemeinsame Währungsgebiet krisensicherer gemacht werden. Zuständig für die Aufsicht wird die Europäische Zentralbank (EZB). Nach dem Kompromiss herrschte vor allem Erleichterung. „Es ist nicht hoch genug einzuschätzen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in einer Regierungserklärung zum zweitägigen EU-Gipfel in Brüssel.
Es sei gelungen, Kernforderungen Deutschlands durchzusetzen. Bei Fehlentwicklungen in großen Banken könne in absehbarer Zeit gegengesteuert werden. Auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich erfreut über die nächtliche Grundsatzeinigung und sprach von einem entscheidenden und substanziellen Schritt hin zu einer vollständigen Bankenunion.
Die neue Kontrolle für die Banken der Eurozone soll am 1. März 2014 voll funktionsfähig sein. Das habe EZB-Chef Mario Draghi versichert, berichtete EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Bis zu diesem Termin laufe die Aufbauphase. „Das ist der erste große Schritt für eine Bankenunion“, so Barnier. Die EZB soll nur für Geldhäuser mit mehr als 30 Milliarden Euro Bilanzsumme zuständig sein. Der CDU-Europaparlamentarier Burkhard Balz sagte: „Damit bleiben in Deutschland so gut wie alle Genossenschafts- und Volksbanken und Sparkassen unter der nationalen Kontrolle.“
Die Notenbank soll aber das Recht haben, notfalls bei jeder der 6000 Banken im gemeinsamen Währungsgebiet durchzugreifen. „Es gibt die totale Information der EZB“, meinte Kommissar Barnier. Den Weg für eine Einigung aller 27 Partner ebneten Deutschland und Frankreich mit einem Kompromiss: Dazu gehörten die Zahl der überwachten Banken und die strikte Trennung von geldpolitischen Entscheidungen und Bankenaufsicht innerhalb der EZB. „Das ist ein Signal, das sich auch an die übrige Welt richtet“, bilanzierte der französische Finanzminister Pierre Moscovici. „Man kann Europa vertrauen, man kann der Eurozone vertrauen.“
Viele EU-Staats- und Regierungschefs hatten dem Vernehmen nach darauf gedrungen, dass der Streit um die Aufsicht nicht wieder ein Gipfeltreffen bestimmt. Der Wintergipfel der „Chefs“ sollte am späten Nachmittag beginnen. Schon beim Oktober-Gipfel hatte die Aufsicht zu zähen Debatten geführt.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lobte den Kompromiss. „Wir stehen zu dem, was wir verabredet haben, Schritt für Schritt Europa voranzubringen.“ Schäuble resümierte, der EZB-Rat habe bei der Aufsicht „nicht das Letztentscheidungsrecht“. Damit sei eine klare Trennung gewährleistet.
Die Aufsicht ist Voraussetzung für direkte Finanzspritzen an marode Banken aus dem Rettungsschirm ESM. Wann diese fließen können, ist noch nicht im Detail festgelegt. Barnier sagte, in der Aufbauphase der Bankenaufsicht könne der ESM-Fonds aufgrund eigener Regeln entscheiden, Geldhäusern direkt Finanzspritzen zu geben. Auf direke Rekapitalisierung dringen vor allem Krisenländer wie Spanien.
Schäuble sagte zu den Kompetenzen der Zentralbank: „Sie kann allgemeine Instruktionen für die nationale Bankenaufsicht geben, auch für Gruppen von Banken, aber sie kann keine Einzelweisungen für die nationale Aufsicht im Bezug auf einzelne Banken geben.“ Berlin hatte dafür gekämpft, Sparkassen und Volksbanken grundsätzlich unter nationaler Aufsicht zu lassen.
Der rechtliche Rahmen für das Mammutvorhaben soll laut Schäuble bis Ende Februar 2013 stehen - in die Gesetzgebung ist das Europaparlament eingebunden. Das bedeutet eine Verspätung. Die „Chefs“ hatten vorgegeben, den Rahmen bis zum 1. Januar zu errichten. Beim zweitägigen Gipfeltreffen der EU-„Chefs“ sollte es vor allem um die Reform der Eurozone gehen. Mit weitgehenden Beschlüssen wurde nicht gerechnet, da sich insbesondere Berlin gegen langfristige Festlegungen wehrt.