EU-Kommission geht im Streit um Bankenabwicklung auf Berlin zu
Brüssel/Düsseldorf (dpa) - EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier geht im Streit um die Kompetenz bei der Schließung von Krisenbanken auf die Bundesregierung zu. Im „Handelsblatt“ (Mittwoch) schlug der Politiker vor, dem Euro-Rettungsfonds ESM die Verantwortung für die Abwicklung angeschlagener Banken in der Eurozone zu übertragen.
„Der Euro-Rettungsfonds könnte die Abwicklung übernehmen, sobald er zur EU-Institution geworden ist“, sagte Barnier. Der Kommissar rückt damit von seinem Gesetzentwurf ab. Dieser sieht vor, dass die EU-Kommission das letzte Wort über die Abwicklung von Krisenbanken bekommen soll. Dagegen wehrt sich jedoch die Bundesregierung, unterstützt von der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin. Die deutsche Seite moniert, dass die Pläne keine ausreichende Rechtsgrundlage hätten. Zudem will Berlin der EU-Kommission nicht diese zentrale Kompetenz zugestehen.
Bis Jahresende soll eine Lösung zur Bankenabwicklung stehen, die 2015 starten soll. Unklar ist, ob der Zeitplan angesichts der komplizierten Regierungsbildung in Deutschland eingehalten werden kann. In den Euro-Ländern gibt es rund 6000 Banken.
„Wir könnten von vornherein festlegen, dass die Kommission die Aufgabe der Bankenabwicklung nur befristet übernimmt und wir auf Dauer eine andere Lösung anstreben“, sagte der Franzose. Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM müsse zunächst im EU-Vertrag den Status einer EU-Institution erhalten. Sobald dies geschehen sei, könne man dem ESM die Bankenabwicklung übertragen.
Der Kommissar deutete in einem weiteren Punkt Kompromissbereitschaft an. Demnach könnte sich die EU nur um die Abwicklung der 130 größten Banken kümmern. Für die Abwicklung der anderen Institute blieben weiterhin die nationalen Finanzaufseher zuständig. Zwar könnten auch kleine Banken zusammenbrechen und damit das ganze Finanzsystem erschüttern, sagte Barnier. Insofern halte er „eigentlich wenig davon“, die Abwicklung kleinerer Banken bei den nationalen Aufsichtsbehörden zu belassen. „Aber es stimmt schon, dass wir einen Kompromiss finden müssen“, fügte er hinzu.
Barnier hatte seinen Gesetzentwurf zum geplanten Abwicklungsmechanismus im Juli vorgelegt. Dieser sieht vor, eine Abwicklungsagentur auf EU-Ebene zu schaffen. Der Vorstand an ihrer Spitze soll aus Vertretern der nationalen Finanzaufsichtsbehörden der beteiligten EU-Staaten bestehen.
Wenn eine Bank ins Trudeln gerät, soll der Vorstand der Agentur einen Abwicklungsplan ausarbeiten und der EU-Kommission vorlegen. Die Kommission soll dann den Startschuss für die Abwicklung des Instituts geben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will dagegen die Entscheidungsbefugnis über die Abwicklung von Banken bei den nationalen Aufsichtsbehörden belassen.