Europas Autobranche schwächelt zusehends
Stuttgart/Paris (dpa) - Die Krise am europäischen Automarkt zieht immer weitere Kreise. Der besonders hart getroffene französische Marktführer PSA Peugeot Citroën schreibt tiefrote Zahlen.
Der Absatzeinbruch sorgte im ersten Halbjahr 2012 für einen Verlust von 819 Millionen Euro, nach einem Gewinn in ähnlicher Größenordnung ein Jahr zuvor. Der US-Autobauer Ford fürchtet in seinem Europageschäft einen Milliardenverlust. Auch der deutsche Autobauer Daimler spürt mittlerweile die Probleme, kann aber anders als PSA in Übersee und mit Lkws für Entlastung sorgen. Unter dem Strich verdienten die Schwaben im zweiten Quartal 2012 aber mit rund 1,5 Milliarden Euro 11 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Ganz andere Sorgen haben indes die Manager in Paris: Der PSA-Verlust fiel schlimmer aus als befürchtet, wie das Unternehmen mitteilte. PSA kündigte am Mittwoch ein Sparprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bis 2015 an. Bei PSA ist es die zweite Hiobsbotschaft binnen kurzem. Erst vor knapp zwei Wochen hatten die Franzosen angekündigt, sie wollten ein Werk schließen und 8000 Stellen streichen. PSA kämpft besonders mit der Konjunkturschwäche in Südeuropa, wo der Autobauer traditionell einen Großteil seiner Geschäfte macht. In seinem Ausblick geht PSA von einem weiteren Schrumpfen des europäischen Marktes aus.
Die Regierung in Paris will der heimischen Autoindustrie - neben PSA gehört dazu Renault - nun mit einem Hilfsprogramm unter die Arme greifen. Dazu sollen Käufer von Elektro- oder Hybrid-Autos künftig noch höhere Zuschüsse bekommen als bislang. Außerdem will die Regierung bei Neuanschaffungen stärker Öko-Autos berücksichtigen.
Der Automarkt in der EU ist seit Monaten auf Talfahrt, vor allem in den Euro-Krisenländern Spanien und Italien, aber auch in Frankreich. Dies trifft die Hersteller hart, die von Europa abhängig sind - neben PSA sind dies auch Opel und Fiat. Sie kämpfen mit Überkapazitäten. Dagegen haben die deutschen Oberklasse-Hersteller Daimler und BMW, aber auch der breit aufgestellte VW-Konzern bislang vom Wachstum vor allem in China und den USA profitiert.
Die stark rückläufigen Verkäufe in Europa belasten auch den US-Autobauer Ford und könnten zu harten Einschnitten führen. Ford geht für das Gesamtjahr in seinem wichtigen Europageschäft mittlerweile von einem operativen Verlust von mehr als 1 Milliarde Dollar aus. Zuvor schätzte der Konzern das Minus auf maximal 600 Millionen Dollar ein. „Natürlich müssen wir die Kosten angehen“, sagte Finanzchef Bob Shanks in einer Telefonkonferenz. „Wir müssen schlanker werden.“
In Europa brachen die Ford-Verkäufe im zweiten Quartal um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf rund 359 000 Stück ein. Als gefährdet gelten der Standort Southampton in England oder Genk in Belgien. In Deutschland produziert Ford in Köln und Saarlouis. Der direkten Frage nach Werksschließungen wich das Management allerdings aus. Es sei zu früh, um über die genauen Pläne zu reden, sagte Shanks. Das Ford-Management steht unter hohem Druck. Denn die Probleme in Europa schlagen sich wie beim Opel-Mutterkonzern General Motors mit voller Wucht auf den Gesamtkonzern durch. Nur dank eines florierenden US- und Asien-Geschäfts hielt sich der Umsatzschwund mit 6 Prozent auf 33,3 Milliarden Dollar in Grenzen.
Derweil hält Daimler - entgegen Spekulationen, der Autobauer könne eine Gewinnwarnung herausgeben - vorerst an den ehrgeizigen Zielen für das selbst erklärte „Übergangsjahr“ fest. „Auf Basis der derzeitigen Markterwartungen und der Planungen der Geschäftsfelder streben wir für Daimler 2012 ein Ergebnis aus dem laufenden Geschäft in der Größenordnung des Vorjahres an“, bekräftigte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Er deutete aber auch an, dass dahinter mittlerweile zumindest ein Fragezeichen steht: Die Konjunktur sei „in beinahe allen Regionen von Unsicherheiten und Risiken geprägt“.
Die Anleger quittierten die Daimler-Zwischenbilanz mit Kurssprüngen. In der Spitze legten Daimler-Aktie um bis zu 6 Prozent auf mehr als 38,30 Euro zu. Im Windschatten der Stuttgarter waren auch VW- und BMW-Aktien in der Dax-Spitzengruppe. Volkswagen legt als nächster Autohersteller an diesem Donnerstag seine Zahlen fürs zweite Quartal vor, BMW folgt nächste Woche.
Daimler hatte im ersten Halbjahr 2012 insgesamt zwar weltweit so viele Autos abgesetzt wie noch nie. Dementsprechend kletterte der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 10 Prozent auf 28,9 Milliarden Euro. Allerdings schwächte sich die Entwicklung im Juni angesichts der schwachen Wirtschaftslage in Europa weiter ab. Mit 131 139 verkauften Autos legte der Absatz zuletzt nur noch um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.
Stützen waren wachsende Auslandsmärkte, allen voran Amerika. Probleme bereitet dagegen der Heimatmarkt in Europa, was sich auch in der Gewinnrechnung niederschlägt. „Die Ergebnisentwicklung war im Wesentlichen durch das weitere Absatzwachstum vor allem in den USA und in Asien getrieben“, heißt es im Zwischenbericht.
Belastungen in Europa hingen mit der „angespannteren wirtschaftlichen Situation“ und einem „ungünstigeren Modell-Mix“ zusammen. Zuletzt hatte es vermehrt Berichte gegeben, dass Mercedes für einzelne Modelle recht hohe Rabatte anbieten müsse. Auf dem größten Einzelmarkt China hält das Wachstum an. Mit einem Absatzplus von knapp 8 Prozent im ersten Halbjahr liegt die Autosparte aber deutlich hinter der satt zweistellig zulegenden Konkurrenz von Audi und BMW.
Daimler erklärt den Gewinnrückgang auch mit Investitionen: Höhere Kosten zur Erweiterung der Modellpalette in der Pkw-Sparte Mercedes-Benz Cars und der Lkw-Sparte Daimler Trucks hätten sich ungünstig ausgewirkt, heißt es in der Mitteilung. Daimler hatte zuletzt viel Geld ausgegeben, um seine Kompakten zu überarbeiten.
Am Abend teilte der Lastwagenhersteller MAN mit, dass er wegen schwacher Nachfrage und einer Abschreibung in China im zweiten Quartal in die roten Zahlen gerutscht sei. Unter dem Strich blieb demnach ein Verlust von 89 Millionen Euro. Im Gesamtjahr erwartet die VW-Tochter weniger Umsatz und eine deutlich geringere Umsatzrendite.