EZB-Anleihenkauf in Davos umstritten
Davos (dpa) - Vor der erwarteten EZB-Entscheidung für den massiven Ankauf von Staatsanleihen hat Italien das umstrittene Programm ausdrücklich gelobt. „Die Schritte der EZB werden ein Zeichen setzen, dass Europa in eine neue Richtung geht“, sagte Ministerpräsident Matteo Renzi beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Finanzexperten wie Ex-Bundesbankpräsident Axel Weber beurteilten den möglichen Erfolg des Kaufprogramms, über das die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag entscheiden will, hingegen eher skeptisch.
Mit Spannung wird in Davos erwartet, ob und wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Donnerstag bei ihrem Auftritt auf der Davoser WEF-Bühne zu den dann bereits veröffentlichten EZB-Beschlüssen äußert. Deutschland hatte massive Anleihenkäufe bislang als unnötig abgelehnt und stattdessen stärkere Reformanstrengungen angemahnt.
Renzi warf der Europäische Union vor, bislang immer nur Sparmaßnahmen gefordert zu haben. Europa brauche aber zur Überwindung der Krise „neue Ideen und Investitionen für mehr Wachstum“. Er betonte, dass Italien auf Maßnahmen zur Wachstumsförderung setze, um seine Strukturreformen fortsetzen zu können. Für deren Erfolg seien „mit Blick auf das EZB-Programm die nächsten zwölf Monate entscheidend“.
Der italienische EZB-Präsident Mario Draghi hält nach eigener Aussage den Ankauf von Staatsanleihen der Eurozone in großem Stil für erforderlich, um eine Deflation verhindern - also eine Phase anhaltend fallender Preise, die eine Abwärtsspirale in der Wirtschaft auslösen könnte.
Axel Weber, der seit 2012 Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS ist, kritisierte, dass dringende Strukturreformen in einigen europäischen Ländern nur schleppend vorangekommen seien. Die EZB habe diesen Staaten mit geldpolitische Maßnahmen Zeit verschafft, die jedoch von der Politik kaum für Reformen genutzt worden sei.
Weber bezeichnete insbesondere Reformen der Arbeitsmärkte und der Rentensysteme als unerlässlich. Beispielhaft habe Deutschland diese Aufgabe mit der Agenda 2010 unter der von Gerhard Schröder geführten rot-grünen Regierung in Angriff genommen.
Hinweise auf die Entwicklung der Weltkonjunktur versprachen sich WEF-Teilnehmer von einer für den frühen Abend angekündigte Rede des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang zum Wachstum Chinas und ökonomischen Reformen in der Volksrepublik. Europäische Unternehmen beklagen zu langsame Fortschritte bei der Umsetzung von Reformen.
Überschattet wurde der Eröffnungstag des Weltwirtschaftsforums vom erneuten Aufflammen der Kämpfe im Osten der Ukraine. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bezichtigte Russland in Davos der Aggression gegen sein Land. Mehr als 9000 russische Soldaten würden sich nach Erkenntnissen von Geheimdiensten mittlerweile samt Panzern und anderer Militärtechnik im Osten der Ukraine aufhalten, sagte er und fügte hinzu: „Wenn das keine Aggression ist, was ist dann eine Aggression?“.