EZB-Chefvolkswirt Praet: Offen, charmant und ein wenig chaotisch

Der Belgier Peter Praet, neuer Chefvolkswirt der EZB, wird hochgelobt.

Brüssel. Der Belgier Peter Praet bricht überraschend eine ungeschriebene Tradition in der Europäischen Zentralbank (EZB). Der 62-Jährige ist ab sofort Chefvolkswirt der obersten Euro-Hüterin. Damit erhält erstmals seit Gründung der EZB 1998 kein Deutscher dieses einflussreiche Amt.

Praet, der seit Juni in der EZB-Führung sitzt, profitierte vom Postengeschacher zwischen Deutschland und Frankreich. EZB-Chef Mario Draghi ließ die Chefvolkswirt-Kandidaten der zwei größten EU-Staaten abblitzen. Die zwei Länder ringen um die Rolle der — politisch unabhängigen — EZB im Kampf gegen die Schuldenkrise.

Praet wird mit 200 EZB-Volkswirten die Konjunkturlage Europas analysieren — und anhand dessen dem EZB-Präsidium den Zinsvorschlag unterbreiten. Das sechsköpfige Gremium stimmt dann darüber ab. Über die Zinshöhe kann die EZB die Inflation im Euro-Raum steuern.

Das Rüstzeug bringt Praet mit. Er blickt auf eine fast drei Jahrzehnte währende Ökonomen-Karriere zurück. Er arbeitete beim Internationalen Währungsfonds, als Professor für Volkswirtschaft in Brüssel, als Chefvolkswirt einer belgischen Bank und als Referent des früheren belgischen Finanzministers Didier Reynders. Bevor er vorigen Sommer ins EZB-Direktorium wechselte, war er zehn Jahre bei Belgiens Zentralbank.

Praet gilt als sehr intelligent, kollegial, ehrlich und offen. Dank seines Charmes habe er sich ein beeindruckendes Kontakte-Netzwerk aufgebaut, heißt es. Ein Zentralbanker sagt: „Praet ist einer der wenigen, die sich sehr gut sowohl in der Volkswirtschaft als auch in der Finanzbranche auskennen.“

Der Belgier sei jedoch manchmal etwas chaotisch, heißt es. Er selbst räumt ein: „Ich bin nicht kühn genug. Ich verabscheue Autorität.“