EZB: Geldflut zur Euro-Rettung
Frankfurt/Main (dpa) - Die EZB tut alles, um den Euro zu retten. Fast alles. Die Zinsen sinken wieder auf Rekordtief, die Banken bekommen leichter und länger frische Geld von der Notenbank. Nur zur Staatsfinanzierung wollen sich die Währungshüter nicht noch mehr einspannen lassen.
Zur Rettung des Euro ziehen Europas Währungshüter fast alle Register. Zinsen auf Rekordtief sollen die Konjunktur ankurbeln, ein ganzes Maßnahmenpaket soll den von Staatsschulden- und Vertrauenskrise gebeutelten Banken wieder auf die Beine helfen. Zugleich stellte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag aber erneut klar, dass sie die Hauptverantwortung für das Abtragen der gigantischen Schuldenberge bei den Staatenlenkern sieht. Den umstrittenen Kauf von Staatsanleihen der Schuldensünder weitet die Notenbank weiterhin nicht aus - obwohl der Ruf danach lauter wird.
Zur Stützung der zunehmend von der Krise belasteten Wirtschaft verringerte der EZB-Rat am Donnerstag in Frankfurt den Leitzins wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte auf das Rekordtief von 1,0 Prozent. Damit lockerte der erst seit November amtierende EZB-Präsident Mario Draghi zum zweiten Mal in Folge die Zügel. Bankenverbände begrüßten den Schritt: Das könne zur Beruhigung der Märkte beitragen.
Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite. Das erleichtert Unternehmen Investitionen und kann Verbrauchern mehr Lust auf Konsum machen. Beides würde die Konjunktur ankurbeln, die das bitter nötig hat: Nach EZB-Prognose steuert der Euroraum 2012 auf eine Stagnation zu. Selbst eine Rezession schließt die Notenbank nicht länger aus.
Für 2012 rechnet die EZB nur noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,3 (Spanne minus 0,4 bis plus 1,0) Prozent. Allerdings sollte sich die Konjunktur im Jahresverlauf erholen. Im September war die EZB noch von 1,3 Prozent Plus ausgegangen. Für das laufende Jahr rechnet die Notenbank mit einem Wachstum von 1,6 (1,5 bis 1,7) Prozent.
Um ein Austrocknen der Geldmärkte zu verhindern, greift die EZB den Banken noch stärker unter die Arme. Draghi kündigte an, dass sich Geschäftsbanken künftig für einen extrem langen Zeitraum von drei Jahren frisches Geld von der Notenbank leihen können. Bisher sind solche Geschäfte nur für die Dauer eines Jahres möglich, was auch schon außergewöhnlich lang ist. Zudem lockert die EZB die Kriterien für Sicherheiten, die Banken bei der EZB hinterlegen müssen. Damit sollten auch kleinere Banken Zugang zum Zentralbankgeld bekommen, sagte Draghi. Denn die würden schließlich den Mittelstand finanzieren, der einen Großteil der Arbeitsplätze bereitstelle.
Erst in der vergangenen Woche hatten die EZB und andere führende Notenbanken rund um den Globus die Versorgung der Institute mit US-Dollar billiger gemacht und langfristiger gestaltet. Mit diesem Maßnahmenbündel wollen die Währungshüter verhindern, dass Banken das Geld ausgeht und in der Folge bei Unternehmen und Verbrauchern weniger Kredite ankommen. Denn das würde die Konjunktur bremsen.
Zugleich befeuern niedrige Zinsen aber die Inflation, die zuletzt deutlich über der EZB-Warnschwelle von 2,0 Prozent lag. Im November lag die jährliche Teuerungsrate in den 17 Eurostaaten bei 3,0 Prozent. Für dieses Jahr erwartet die EZB 2,7 (2,6 bis 2,8) Prozent Teuerung. Für 2012 prognostiziert sie 2,0 (1,5 bis 2,5) Prozent.
Obwohl die EZB die Geldschleusen noch weiter öffnet als zu schlimmsten Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 - ein Tabu bleibt: Die EZB stemmt sich unter dem Italiener Draghi weiterhin gegen Forderungen nach einem quasi unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen der Euro-Schuldenstaaten. „Das Programm läuft weder ewig noch ist es unbegrenzt“, bekräftigte Draghi.
Seit Mai 2010 steckte die Notenbank Milliarden in den Kauf von Staatsanleihen kriselnder Staaten wie Griechenland, Portugal und seit einiger Zeit auch Italien. Nach den letzten veröffentlichten Zahlen hat die EZB Staatsanleihen im Volumen von 207 Milliarden Euro in ihren Büchern. Weil damit Staatsschulden über die Notenbankbilanz finanziert werden, ist die Maßnahme umstritten. Etliche Ökonomen und Politiker fordern gleichwohl eine drastische Ausweitung der Käufe: Nur die EZB könne so verhindern, dass große Volkswirtschaften wie Italien und Spanien und damit der Euro insgesamt in Gefahr gerate.