EZB: Umschuldung Griechenlands muss Einzelfall bleiben
Berlin (dpa) - Griechenland bekommt Milliarden - was nicht nur Begeisterung hervorruft: Die Bundesbank glaubt die Haushaltsdisziplin bedroht und warnt vor einer Transferunion, die EZB will jetzt endlich Reformen sehen.
Die Europäische Zentralbank warnte nach dem Eurogipfel davor , nach Griechenland weitere Euroländer umzuschulden. Die Umschuldungsdebatte habe zu dramatischen Ansteckungsgefahren in der Eurozone geführt, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi der „Welt am Sonntag“. Die Bundesbank versetzten die Beschlüsse des Eurogipfels in Alarmstimmung: Bundesbankpräsident Jens Weidmann befürchtet eine Transferunion und schwindende Haushaltsdisziplin in Europa.
Bini Smaghi sagte der Zeitung, die EZB habe immer den Standpunkt vertreten, dass die Beteiligung der Banken an den Kosten der Rettungspakete dazu führen werde, dem europäischen Steuerzahler noch mehr Risiken aufzubürden. „Das ist der Grund, warum die Vereinbarung ein Einzelfall bleiben muss“, sagte der Notenbanker. „Wir sollten nicht so tun, als gäbe es diese Einigung für Griechenland kostenlos.“
Er forderte, nun Reformen folgen zu lassen. Je länger die Regierungschefs Entscheidungen zur Lösung der Krise aufschöben, desto teurer werde es für den Steuerzahler. „Schlimmstenfalls steht am Ende eine Garantie für die Schulden aller Krisenstaaten“, warnte der Währungshüter. Daher müsse der Stabilitätspakt verschärft werden. „Die Vereinbarungen des Gipfels sehen auch eine Stärkung des Stabilitätspakts vor - das scheinen viele übersehen zu haben.“
Nach monatelangem Streit hatten sich die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf das neue Hilfspaket mit einem Volumen von 109 Milliarden Euro geeinigt. Banken und Versicherungen werden einen zusätzlichen Beitrag von 37 Milliarden Euro leisten, der aber noch steigen kann.
Der Hilfsplan hat EU-Experten zufolge sogar einen Umfang von 159 Milliarden Euro. Zu den öffentlichen Hilfen von 109 Milliarden Euro, die der Europäische Rettungsfonds EFSF und der Internationale Währungsfonds aufbringen, komme ein Beitrag der Privatgläubiger von 50 Milliarden Euro.
Wie die Tageszeitung „Die Welt“ (Samstag) berichtet, beläuft sich das Volumen der Anleihen, mit dem deutsche Banken, Versicherungen und Fonds sich am Rettungspaket für Griechenland beteiligen, auf eine Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro. Dies seien die Anleihen Athens im Besitz deutscher Investoren, die bis 2020 auslaufen. Bei einem Wertverlust von 21 Prozent würden die privaten Investoren rund 945 Millionen Euro zur Griechenland-Hilfe beitragen, schreibt die Zeitung.
Der Brüsseler Beschluss geht aber weit über das Problem Griechenland hinaus. Das bisherige Kriseninstrumentarium wurde ausgebaut, um den Euro zu stabilisieren und einen Flächenbrand zu verhindern.
Bundesbankpräsident Weidmann räumte ein, die Gipfelbeschlüsse könnten für Beruhigung an den Finanzmärkten sorgen. Allerdings: „Indem umfangreiche zusätzliche Risiken auf die Hilfe leistenden Länder und deren Steuerzahler verlagert werden, hat der Euroraum aber einen großen Schritt hin zu einer Vergemeinschaftung von Risiken im Falle unsolider Staatsfinanzen und gesamtwirtschaftlicher Fehlentwicklungen gemacht.“ Künftig werde es noch schwieriger, Anreize für eine solide Finanzpolitik aufrechtzuerhalten.
Auch nach Einschätzung von Thomas Straubhaar, dem Chef des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI, ist der Einstieg in eine europäische Haftungsgemeinschaft der Euroländer besiegelt. „Die Schulden eines einzelnen Landes werden damit im Notfall zu Schulden aller Länder“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag).
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte das neue Rettungspaket als „unvollständig“. „Die Maßnahmen zum Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft und zur Initiierung von Investitionen sind bestenfalls vage“, sagte er dem „Tagesspiegel am Sonntag“. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der „Bild am Sonntag“: „Uns geht es nur gut, wenn es unseren Nachbarn auch gut geht, damit sie unsere Produkte kaufen können. Und deshalb werden wir dem Paket zustimmen, auch wenn nicht alle unsere Forderungen erfüllt sind.“
Neben Griechenland hängen bereits Irland und Portugal am internationalen Finanztropf. Zuletzt wuchs die Sorge, dass mit Spanien und vor allem dem hoch verschuldeten Italien wirtschaftliche Schwergewichte ins Taumeln geraten.
Gleichzeitig dürfte der Nervenkrieg um die US-Schuldengrenze stärker in den Blick der Anleger geraten. In dem Gezerre um die Erhöhung des US-Schuldenlimits gab es zuletzt einen herben Rückschlag: Wenige Tage vor einem möglichen Staatsbankrott haben die Republikaner wegen eines Streits um Steuererhöhungen die Verhandlungen mit dem Weißen Haus platzen lassen.