Nach Italien-Referendum EZB verlängert Milliardenflut - dennoch Zeichen für Ausstieg
Frankfurt/Main (dpa) - Die Hoffnung auf ein allmähliches Ende der umstrittenen Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) wächst.
Zwar verlängerten die Währungshüter wenige Tage nach dem Italien-Votum am Donnerstag ihr milliardenschweres Kaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere um neun Monate bis mindestens Ende Dezember 2017. Zugleich beschloss der EZB-Rat in Frankfurt jedoch, von April an monatlich nur noch 60 Milliarden Euro statt 80 Milliarden Euro in den Markt zu pumpen.
Fast zwei Jahre nach dem Start des gewaltigen Kaufprogramms im März 2015 werteten viele Volkswirte dies als erstes Signal, dass die Notenbank allmählich zur Normalität zurückkehrt. „Damit befindet sich der geldpolitische Ausstieg jetzt für alle auf dem Radarschirm“, kommentierte zum Beispiel Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
EZB-Präsident Mario Draghi betonte jedoch, das Führungsgremium der Notenbank habe nicht über einen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik gesprochen. Die EZB werde für eine lange Zeit an den Märkten präsent sein, sagte der Italiener: „Anhaltende Präsenz ist unsere heutige Botschaft.“ Verbraucher sollten also auf absehbare Zeit nicht mit steigenden Sparzinsen rechnen.
Die Anleihenkäufe helfen nach Ansicht vieler Volkswirte vor allem hoch verschuldeten Staaten wie Italien, ihre Zinslast erträglich zu halten. Dass Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi nach seiner Niederlage bei der Abstimmung über die geplante Verfassungsreform zurücktrat, hat für neue Unsicherheit gesorgt. Nach dem Referendum vom Sonntag waren die Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen zeitweise gestiegen. Die Aktien italienischer Banken, die auf einem Riesenberg fauler Kredite sitzen, gerieten unter Druck.
Das Volumen des EZB-Kaufprogramms schwillt nun auf 2,28 Billionen Euro an. Das viele billige Geld soll im Idealfall die Konjunktur ankurbeln und die Teuerung anheizen. Um auch weiterhin ausreichend Papiere zum Kauf zu haben, will die EZB notfalls auch Anleihen mit kürzerer Laufzeit und unterhalb des Einlagensatzes von derzeit minus 0,4 Prozent kaufen.
„Damit wird nicht nur die Bilanz der EZB weiter kräftig steigen, sondern es werden auch die Stabilitätsgefahren durch verzerrte Risikopreise und fehlgeleitetes Kapital zunehmen“, warnte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer.
Draghi bekräftigte, die EZB werde notfalls auch über das Jahresende 2017 hinaus Anleihen kaufen, sollte die Inflation nicht wie angestrebt anziehen. Dauer und Umfang des Kaufprogramm könnten jederzeit ausgeweitet werden.
Die mittelfristigen Aussichten für die Konjunktur im Euroraum beurteilt die EZB minimal besser als noch im September. Für 2016 erwarten die Währungshüter unverändert ein Plus von 1,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP), ebenso für 2017 (September-Prognose: 1,6 Prozent), 2018 und 2019 wird die Wirtschaft im Euroraum demnach um 1,6 Prozent zulegen.
Die Inflation sieht die EZB im laufenden Jahr weiterhin bei 0,2 Prozent. Für 2017 sagen die Währungshüter einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,3 (1,2) Prozent voraus, 2018 rechnet die EZB mit 1,5 (1,6) Prozent Teuerung und 2019 mit 1,7 Prozent.
Mittelfristig strebt die Notenbank eine jährliche Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben, in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird. Im November war die Teuerungsrate auf 0,6 Prozent gestiegen.
Den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, beließ die EZB auf dem Rekordtief von null Prozent. Parken Banken überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.