Fachkräftemangel im Handwerk „Wissen ist nicht wertvoller als Können“
DÜSSELDORF · Handwerkspräsident Andreas Ehlert über die Branchenprobleme und das Werben um Fachkräfte.
Nach der (hoffentlich) ausklingenden Coronakrise und der wohl noch länger andauernden Energiekrise geht es nur wenigen wirtschaftlich gut. So auch dem nordrhein-westfälischen Handwerk, dessen Präsident Andreas Ehlert am Freitag vor Journalisten noch eine Reihe anderer Probleme aufzählte. Probleme, die den Wirtschaftszweig mit seinen knapp 200 000 Betrieben in NRW belasten. Besonders gebeutelt seien Handwerksbetriebe in energieintensiven Bereichen wie Bäcker oder Textilreiniger. Aber auch in anderen Zweigen seien die Probleme oftmals groß. Da gebe es Materialengpässe und Lieferkettenprobleme, die die Auftragserledigung „massiv erschweren und verzögern“. „Wenn Kabelstränge und Chips fehlen, kann ein Elektrotechniker nicht arbeiten“, nennt Ehlert ein Beispiel. Jeder zweite Handwerksbetrieb registriere aufgrund der hohen Inflation eine Zurückhaltung bei den Kunden, jeder vierte sogar die Stornierung bereits erhaltener Aufträge. Dieses Problem könne den seit vielen Jahren beklagten Fachkräftemangel sogar noch verschärfen. Wenn nämlich Handwerksbetriebe trotz voller Auftragsbücher wegen Lieferkettenproblemen in Kurzarbeit gehen müssen, drohe sogar noch eine Abwanderung von Fachkräften.
Aber welche Ideen gibt es, potenzielle Fachkräfte für die Handwerksberufe zu begeistern? Zum einen die Integration von Fachkräften aus dem Ausland, die durch einen Abbau von Bürokratie vereinfacht werden müsse, wie Ehlert fordert. Von einer anderen, auf den ersten Blick überraschenden Idee erzählt der Handwerkspräsident: „Streikst du noch oder arbeitest du schon fürs Klima?“ hatte es in einer Imageanzeige geheißen. Dazu ein Bild von Installateuren, die eine Solaranlage aufs Dach bauen. Das fand manch ein Schulstreiker von Fridays for Future gar nicht witzig. Gewiss habe man damit provoziert, sagt Ehlert, doch man sei dann auf eigene Initiative mit einigen Jugendlichen in ein fruchtbares Gespräch gekommen. „Wir sind uns doch im Ziel einig, mehr für den Klimaschutz zu tun.“ In etwa 30 Handwerksberufen lasse sich konkret etwas dafür tun.
Überhaupt gehe es in der jungen Generation heute jenseits von materialistischen Interessen viel um Sinnstiftung, den auch der ausgeübte Beruf bieten müsse, ergänzt der Geschäftsführer der Handwerkskammer, Hans Jörg Henneke. Das Handwerk wünsche sich, mehr den Fuß in die Tür der Gymnasien und Gesamtschulen zu bekommen, um dort für sich zu werben, sagt Ehlert. Um den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, dass es mehr als nur den Weg ins Studium gebe. Dass die Schüler auch Praktika in Handwerksbetrieben machen. Und junge Handwerker Gelegenheit bekämen, ihre Arbeit vor den Gymnasiasten vorzustellen.
Überholte Denkmuster müssten verändert werden, fordert Ehlert. Die alte Botschaft „Wissen ist wertvoller als Können“, stimme einfach nicht. Beides sei gleich wertvoll. Und vor allem: Das Handwerk mit seinen anspruchsvollen Berufen biete beides: Wissen und Können.
Und auch dieses Problem müsse bei der Werbung um Fachkräfte verstärkt angegangen werden. Dass das Handwerk in vielen Berufen zu männlich aufgestellt ist. Dafür gebe es aber kaum noch Gründe, die Arbeit sei aufgrund der Technisierung nicht mehr so körperlich kräftezehrend wie früher mal. Man versuche, die Quote zu erhöhen. Etwa indem Frauen, die es in Handwerksberufen geschafft haben, bei Veranstaltungen und auch in sozialen Medien als Vorbild herausgestellt werden. Und so andere für ihre Tätigkeit begeistern.