G20 vereinbaren ehrgeizige Wachstumsziele
Sydney (dpa) - Krisenbekämpfung war gestern, jetzt stehen bei den G20 die Zeichen auf Durchstarten. Die Industrie- und Schwellenländer wollen das Investitionsklima verbessern und den Handel fördern.
Ein Schlagabtausch blieb aus.
Nach Jahren der Krisenbekämpfung wollen die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) mit einem ehrgeizigen Wachstumsprogramm durchstarten. Sie streben über die nächsten fünf Jahre zwei Prozent zusätzliches Wachstum an. „Wir werden ehrgeizige aber realistische Maßnahmen ergreifen“, beschlossen die G20-Finanzminister und -Notenbankchefs auf ihrer Tagung am Sonntag in Sydney. Das entspreche real mehr als zwei Billionen Dollar, hieß es in der Abschlusserklärung. Konkret soll es dann beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im November in Brisbane werden. „Wir hatten ein gutes Treffen“, bilanzierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüßte die Vereinbarungen.
Der australische Finanzminister Joe Hockey sagte voraus: „Damit entstehende Dutzende Millionen neue Arbeitsplätze.“ Australien hat in diesem Jahr den G20-Vorsitz. Zur Ankurblung der Konjunktur soll der Wettbewerb gefördert, der Handel weiter liberalisiert und das Investitionsklima verbessert werden, vor allem für Infrastrukturprojekte und kleine und mittelständische Unternehmen.
Mit dem Konjunkturprogramm soll die Erholung der Weltwirtschaft vorangetrieben werden. „Wenn wir uns in der Welt umschauen, sehen wir Erholung, aber sie ist noch schwach, die Nachfrage ist nicht stark genug“, sagte US-Finanzminister Jack Lew. „Deshalb ist der Beschluss von Sydney, sich auf das Wachstum zu fokussieren, so bedeutend.“
Für Deutschland sah Schäuble zunächst keinen zusätzlichen Handlungsbedarf. „Wir haben die Absicht, unsere erfolgreiche Politik kontinuierlich fortzusetzen“, sagte er. „Die Bedingung für mehr Wachstum ist auch eine Fortsetzung des Abbaus der Defizite“, betonte er.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann verwies auf die hohe Wettbewerbsfähigkeit und die geringe Arbeitslosigkeit in Deutschland als Lichtblick für Europa. „Die gute konjunkturelle Lage ist ein gewisser Schutz davor, dass die Eurozone in einer deflationären Entwicklung mündet“, sagte Weidmann. Es betrachte die Risiken einer solchen Entwicklung aber als „sehr gering“.
Offene Kritik der Schwellenländer, die zuvor noch die Straffung der US-Geldpolitik für den Abfluss von Kapital verantwortlich gemacht hatten und mehr Rücksicht forderten, blieb aus. Sie trugen die Abschlusserklärung mit, in der es heißt, von der Normalisierung der Geldpolitik in den Industrieländern profitiere die ganze Weltwirtschaft.
Jede weitere Anpassung werde genau abgewogen und transparent kommuniziert, unter Berücksichtigung der Folgen für die Weltwirtschaft. In der Abschlusserklärung hieß es aber auch: In vielen Industrieländern sei die Politik des billigen Geldes weiter nötig, müsse aber langfristig zurückgefahren werden. Davon profitierten langfristig alle Länder.
Steuerhinterziehung und Steuervermeidung solle unterbunden werden, sagte Schäuble. „Gewinne sollten da versteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden“, heißt es in der Abschlusserklärung. Eine Vereinbarung zum automatischen Informationsaustausch soll beim Gipfel im November in Brisbane unterschriftsreif sein. Schäuble betonte, dass alle G20-Vertreter das Prinzip der Gegenseitigkeit beim Informationsaustausch mittragen würden.
Die Regulierung der Finanzmärkte komme ebenfalls voran. „Das heißt nicht, dass das das Ende aller Finanzmarktregelungen ist“, kündigte Schäuble schon an.
IWF-Chefin Christine Lagarde hält die Vereinbarungen zum Wirtschaftswachstum für erreichbar. Sie lobte auch die am Wochenende in Sydney erzielte Übereinkunft, sich stetig über geldpolitische Maßnahmen auszutauschen. Ein globaler Dialog und verbesserte Kommunikation hätten beim Schutz der finanziellen Stabilität eine „grundlegende Bedeutung“.