Gerhard Schröder: „Wir übernehmen Salzgitter AG. Basta!“
Alt-Kanzler Gerhard Schröder trägt im Untersuchungsausschuss seine Erinnerungslücken fröhlich vor.
Düsseldorf. Warum hat die Preussag AG im Jahr 1998 ihre Stahlsparte, die damals noch Salzgitter AG hieß, an das Land Niedersachsen und nicht an einen potenten österreichischen Investor verkauft, der dafür dem Vernehmen nach umgerechnet gut 300 Millionen Euro mehr auf den Tisch legen wollte?
Etwa weil die Verantwortlichen Angst vor den rund 12 000 Stahlarbeitern aus Niedersachsen hatten, die gegen den Verkauf ins Ausland auf die Straße gegangen wären? Das zumindest vermutet Alt-Kanzler Gerhard Schröder (70, SPD), der Sonntag als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zur WestLB-Pleite aussgen musste. Der späteren NRW-Pleitebank gehörte seinerzeit ein gutes Drittel an der Preussag AG.
Eine andere Version der Geschichte, mancher nennt sie eine Verschwörungstheorie, besagt, dass der Verkauf der Stahlsparte einen anderen Hintergrund hatte und dass der Zuschlag für Niedersachsen nichts anderes als eine gescheiterte Politintrige gegen Schröder gewesen sei. Das behauptet der ehemalige Preussag-Manager Hans-Joachim Selenz in seinem Buch „Wildwest auf der Chefetage“. Im Untertitel heißt das Werk: „Schröders Kampf um Salzgitter und die Kanzlerschaft.“
Der Ministerpräsident von Niedersachsen schickte sich demnach seinerzeit an, als SPD-Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl zu ziehen. Ambitionen, die auch Oskar Lafontaine hatte. Der wiederum soll zunächst Favorit des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau (1931 — 2006) und des übermächtigen WestLB-Chefs Friedel Neuber (1935 — 2004) gewesen sein.
Ein Verkauf von Salzgitter ins Ausland, verbunden mit dem Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen, so das angebliche Kalkül, hätten dem Niedersachsen geschadet und den Saarländer Lafontaine ins Kanzleramt befördert. Mit freundlicher Unterstützung der WestLB, die wiederum Geld verloren hätte, weil die Österreicher mehr für die Stahlwerke zahlen wollten.
Eine Theorie, zu der Schröder Sonntag nicht viel sagen konnte (oder wollte). „Ich war ja damals nicht Chef der WestLB.“ Das immerhin wusste er ziemlich sicher — ansonsten war vom gut gelaunten Zeugen trotz allerlei Ermahnungen wenig zu erfahren. „Ich erinnere nicht“, hieß es mindestens ein Dutzend Mal. Auch nicht daran, wie er Neuber doch noch vom Verkauf an Niedersachsen überzeugen konnte.
Sehr sicher sei er sich indes, dass er selbst, Gerhard Schröder, entschieden habe, die Salzgitter AG zu kaufen — der Arbeitsplätze und des Industriestandorts wegen. „Wir übernehmen den Laden. Basta!“ Den Verkaufspreis von einer Milliarde Euro habe er als angemessen empfunden.