Gericht stoppt Nachtflüge am Frankfurter Flughafen
Kassel (dpa) - Im Kampf gegen den nächtlichen Fluglärm am Frankfurter Flughafen haben die Bürgerinitiativen einen Etappensieg erzielt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat die im Winterflugplan vorgesehenen Nachtflüge gestoppt.
Im Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung des Airports waren eigentlich zwischen 23.00 Uhr und 05.00 Uhr durchschnittlich 17 Starts und Landungen pro Nacht erlaubt. Gegen die VGH-Entscheidung sei kein Rechtsmittel möglich, erklärte das Gericht am Dienstag. Der Winterflugplan beginnt Ende Oktober, am 21. Oktober wird die neue Landebahn am Flughafen eröffnet. Die Frachtfluggesellschaft Lufthansa Cargo, nächtlicher Hauptkunde, fürchtet schwere Einbußen.
Die obersten hessischen Verwaltungsrichter gestanden den Klagen mehrerer Anwohner des Flughafens aus Rüsselsheim und Offenbach in ihrem Beschluss vom Montag eine aufschiebende Wirkung in der Frage der Nachtflüge zu. Bereits in seinem Urteil aus dem Jahr 2009 über den Planfeststellungsbeschluss hatte der VGH die Zulassung der Nachtflüge als rechtswidrig eingestuft, bei seiner jüngsten Entscheidung zum Milliardenprojekt Flughafenausbau beruft sich der Senat auf diesen Beschluss.
Grundsätzliche Bedenken ständen dem Ausbau zwar nicht entgegen. Die VGH-Richter hatten 2009 aber auch beschlossen, dass die Zulassung der 17 Nachtflüge „nicht mit dem gesetzlich gebotenem Schutz der Bevölkerung vor nächtlichem Fluglärm zu vereinbaren“ sei. Diesem Gebot trage der Planfeststellungsbeschluss nicht hinreichend Rechnung, sagte der Vorsitzende Richter des 11. Senats, Günter Apell, am Dienstag der dpa. Außerdem habe der Senat damals und auch heute den Bedarf für die Nachtflüge nicht gesehen. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum es diese Flüge in der Nacht geben muss und sie nicht auf den Tag verlegt werden können. Wo ist das Bedürfnis?“, sagte er.
Das Nachtflugverbot gelte so lange, bis das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig endgültig und rechtskräftig über das Nachtflugverbot entschieden habe, sagte Apell. „Der Beschluss ist unanfechtbar.“ Ein Termin für die Leipziger Entscheidung ist noch nicht bekannt, die hessische Landesregierung rechnet mit Anfang nächsten Jahres.
Bürgerinitiativen begrüßten die aktuelle Entscheidung aus Kassel. Der ökologische Verkehrsclub VCD forderte eine Ausweitung des Flugverbots auf die ganze Nacht von 22.00 bis 6.00 Uhr und verwies auf das Ergebnis der Mediation, das ein striktes Nachtflugverbot enthielt. Brigitte Martin vom BUND-Vorstand forderte die Landesregierung auf, ihre Haltung zum Nachtflugverbot grundsätzlich zu überdenken und sich nicht nur zum Ausbau, sondern auch zum Nachtflugverbot zu bekennen.
Die Frachtfluggesellschaft Lufthansa Cargo, die bereits Nachtflüge für den Winterflugplan fest vorgesehen hatte, fürchtet nun schwere Einbußen im wichtigen Weihnachtsgeschäft. „Auf jeden Fall bedeutet das für uns erhebliche wirtschaftliche Schäden“, sagte ein Cargo-Sprecher am Dienstag. Der Winterflugplan müsse binnen weniger Tage umgestrickt werden.
Der Flughafenbetreiber Fraport sieht Konsequenzen vor allem vor die Airlines, die nun sehr kurzfristig umplanen müssten. Für den Ausbau insgesamt habe der Richterspruch aber keine Folgen.
Frankfurt als größter deutscher Flughafen will in der kommenden Woche (21. Oktober) die neue Nordwestlandebahn in Betrieb nehmen. Dadurch soll die Zahl der Starts und Landungen um 50 Prozent zunehmen. Ursprünglich hatte die hessische Landesregierung im Gegenzug für die Erweiterung zugesagt, Nachtflüge seien tabu - in der Ausbaugenehmigung wurden dann aber 17 Ausnahmen pro Nacht vorgesehen, von denen Lufthansa Cargo 11 für sich beanspruchen wollte.
Neben zahlreichen Bürgerinitiativen waren auch Dutzende Kommunen dagegen Sturm gelaufen. Viele hatten Klage eingereicht gegen die Nachtflüge. Auch aus Rheinland-Pfalz gibt es Widerstand: Die Landesregierung in Mainz wirft Hessen Wortbruch vor. Die Regierung in Wiesbaden habe ein Nachtflugverbot fest zugesagt, argumentieren die Mainzer. Deshalb begrüßte ein Sprecher des Infrastrukturministeriums in Mainz den vorläufigen Stopp: „Das ist ein positives Signal für den Schutz der Bevölkerung“, sagte er der dpa.