„Keine Steuergelder“ Grüne wollen härtere Gangart der Regierung gegen Autobranche
Berlin (dpa) - In der Dieselkrise haben die Grünen die Bundesregierung zu einer härteren Gangart gegenüber der Autoindustrie aufgefordert.
„Die Hersteller haben billige Abgasreinigungen eingebaut und damit ihre Gewinne gesteigert. Jetzt müssen sie auch die selbst eingebrockte Suppe auslöffeln“, sagte Bundestagsfraktionsvize Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Wie der „Spiegel“ berichtete, gibt es in der Regierung Überlegungen, zumindest einen Teil der Dieselflotte technisch wirksam nachrüsten zu lassen. Dazu werde geprüft, ob Autokonzerne fünf Milliarden Euro in einen Fonds einzahlen. Die Regierung würde Geld zuschießen. Das Bundesfinanzministerium bremste jedoch: Das Programm sei dem Ministerium nicht bekannt.
Im Fokus der Debatte stehen Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel-Fahrzeuge, also Umbauten direkt an Motor und Abgasanlage. Die Hersteller wollen nur mit Software-Updates die Schadstoffe senken und lehnen Hardware-Nachrüstungen als zu aufwendig und teuer ab. Viele Experten bezweifeln aber, dass das genügt.
„Wir wissen noch gar nicht, ob wir Hardware-Nachrüstungen überhaupt brauchen“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er betonte, die Hersteller kämen bei den Software-Updates von 5,3 Millionen Autos voran.
Die große Koalition trifft sich an diesem Dienstag und Mittwoch zu ihrer ersten Klausur - dabei wird auch die Zukunft des Diesel Thema werden. Der ADAC mahnte zur Eile. „Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung jetzt die Weichen für eine schnelle technische Nachrüstung von Diesel-Pkw stellt“, sagte Ulrich Klaus Becker, ADAC-Vizepräsident für Verkehr, der dpa.
In vielen Städten ist die Luft stärker als von der EU erlaubt mit Stickoxiden belastet, die in verkehrsreichen Gebieten meist aus Dieselabgasen stammen. Die Politik will Fahrverbote für Diesel vermeiden.
Scheuer sagte, die Bundesregierung sei „mit konkreten Maßnahmen auf dem Weg“, die geforderten Grenzwerte einzuhalten. Die meisten Städte würden dies bis 2019 schaffen. Scheuer räumte aber auch ein: „Es wird eine Gruppe übrig bleiben, um die wir uns noch besonders kümmern müssen.“ Konkret nannte er München, Köln und Stuttgart.
Grünen-Fraktionsvize Krischer sagte, in einem möglichen Fonds hätten Steuergelder nichts zu suchen. „Damit die Autohersteller auch zahlen, muss die Bundesregierung endlich die Daumenschrauben anziehen. Dazu gehört die Bereitschaft, Bußgelder zu verhängen oder verpflichtende Rückrufe in Bezug auf technische Nachrüstungen einzuleiten. Ansonsten wird die Zahlungsbereitschaft der Konzerne sehr gering ausfallen.“ Auch der ADAC sieht die Autobauer in der Pflicht. „Die Hersteller müssen ihren finanziellen Teil beitragen, indem sie für entstehende Kosten aufkommen“, sagte Becker.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze schlug vor, den Zuschuss für Elektrolieferwagen von derzeit 4000 deutlich zu erhöhen, um die Luftqualität in den Städten zu verbessern. „7000 Euro wäre eine Größenordnung, ab der sich die Flottenumstellung für viele Logistiker und auch Handwerker lohnt“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“.
Der frühere Opel-Chef Karl-Thomas Neumann kritisierte die Haltung der Autobauer. „Sie betonen, der Diesel sei noch nicht tot, statt sich als Vorreiter der Elektromobilität zu profilieren, sagte Neumann dem „Spiegel“. Stattdessen führe die Industrie immer neue Argumente an, wo die Nachteile der E-Mobilität lägen und warum der Wandel nicht so schnell klappen werde.
In manchen Städten etwa am Rhein wäre die Stickoxid-Belastung aber auch mit Diesel-Fahrverboten weiterhin zu hoch. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Masterarbeit der Universität Duisburg-Essen. Grund dafür ist demnach die Belastung durch die Binnenschifffahrt. Verfasser der Studie ist ein Physik-Student, der für seine Arbeit verschiedene Szenarien zu unterschiedlichen Umrüstungen von Diesel-Fahrzeugen analysiert und Prognosen abgegeben hat.