Pilotprojekt „Grüner“ Stahl - Wie Thyssenkrupp klimafreundlicher werden will

Düsseldorf · Bei Thyssenkrupp wird versuchsweise Kohlenstaub durch Wasserstoff ersetzt. Das könnte bis zu 20 Prozent CO2 einsparen. Wirklich umweltfreundlich wird Wasserstoff aber nur, wenn er mit Ökostrom hergestellt wird.

 Die Stahlindustrie pustet besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft. Mithilfe von Wasserstoff soll sich das ändern.

Die Stahlindustrie pustet besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft. Mithilfe von Wasserstoff soll sich das ändern.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Noch klingt es wie eine eher unrealistische Zukunftsmusik: Ausgerechnet die energie­intensive Stahlindustrie, Groß­emittent des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2), will klimaneutral werden und grünen Stahl produzieren. Aber bis 2050 muss das im Zuge der deutschen Klimaziele der gesamten Branche gelingen. Am Montag ist in Duisburg zumindest der Startschuss für ein Testprojekt gefallen, bei dem erstmals in einen laufenden Hochofen von Thyssenkrupp Wasserstoff statt Kohlenstaub eingeblasen wird.

Premal Desai, Vorstandssprecher von Thyssenkrupp Steel Europe, sprach von einem wegweisenden Tag für die Stahlproduktion. „Wir leisten hier heute Pionierarbeit.“ In dem Pilotprojekt übernimmt Wasserstoff teilweise die Aufgabe von fossilen Kohlenstoffen. Damit soll der CO2-Aus­stoss um bis zu 20 Prozent reduziert werden. Das Land fördert das Projekt mit 1,6 Millionen Euro. Es sei, so Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen Industrie“.

Noch steht das Verfahren aber am Anfang. Umgesetzt wurde der Versuch im Hochofen 9  mit Wasserstoff von Air Liquide. Ab 2022 sollen schrittweise alle vier Hochöfen in Duisburg auf die Zufuhr von Wasserstoff umgestellt werden. Derzeit ist das dortige Thyssenkrupp-Werk nach Angaben des Umweltbundesamtes noch die Industrieanlage mit den höchsten CO2-Emissionen in Deutschland.

Wirklich umweltfreundlich wird ohnehin auch Wasserstoff nur, wenn er mit Ökostrom hergestellt wird. Damit die gesamte deutsche Stahlproduktion auf Wasserstoff umgestellt werden kann, sind nach Angaben des Branchenverbands Stahl rund 12  000 Windräder an Land notwendig.

Um die CO2-Emissionen zu verringern, setzt Thyssenkrupp perspektisch noch auf einen zweiten Weg. Dabei soll das anfallende kohlendioxidhaltige Hüttengas zur Gewinnung von Basis-Chemikalien in der Chemischen Industrie weiterverarbeitet werden. Das Projekt wird von der Bundesregierung gefördert.  Für die schrittweise Umstellung der Stahlproduktion hin zur angestrebten Klimaneutralität rechnet Thyssenkrupp verteilt über die nächsten drei Jahrzehnte mit notwendigen Investitionen von rund zehn Milliarden Euro.

Stahltreffen in der Landeshauptstadt

Am Nachmittag kamen dann die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Spitzen der nordrhein-westfälischen Industrie, IG Metall, Sozialpartner und Abgeordnete zu einem Stahltreffen in Düsseldorf zusammen. Die Branche leidet unter den weltweiten Handelskonflikten und steht zusätzlich durch die Klimaschutzziele unter Druck.

Von Minister Pinkwart gab es angesichts der schwierigen Lage ein klares Bekenntnis: „Die Stahlindustrie ist ein wichtiges Fundament vieler Wertschöpfungsketten in Nordrhein-Westfalen. Sie ist unverzichtbar zur Sicherung einer leistungsfähigen Industrie in Deutschland und darüber hinaus.“

Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, forderte vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Branche „grundlegend veränderte politische Rahmenbedingungen, die jetzt auf den Weg gebracht werden müssen“. In dem Abschluss-Statement des Treffens ist von umfangreichen Forschungs-, Entwicklungs- und Implementierungs­arbeiten die Rede. Weiter heißt es: „Die Landesregierung setzt sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür ein, dass die seitens EU und Bund angekündigten Förderinstrumente so ausgestattet oder neu geschaffen werden, damit sie den sehr kosten­intensiven Veränderungsprozess der Stahlindustrie (sowie anderer energieintensiver Branchen) sinnvoll unterstützen können.“