Wirtschaft Handwerk sieht sich im Standortnachteil

„Heranrückende Wohnbebauung“ führt zu Konflikten und zur Verdrängung der Betriebe.

Foto: Wilfried Meyer

Düsseldorf. Dachdeckermeister Stefan Golißa hat sein Unternehmen noch bis 2011 aus der Garage heraus betrieben. Doch als das zu eng wurde, suchte er nach einem neuen Standort für seinen wachsenden und mittlerweile 24 Mitarbeiter umfassenden Betrieb. Schon damals musste er feststellen, dass das in Düsseldorf gar nicht so leicht zu realisieren ist. Der heutige Standort am Vogelsanger Weg im Stadtteil Derendorf war einer der wenigen, die für die Lagerung des Materials, die Maschinen und den Fuhrpark überhaupt in Frage kamen. „Und da konnten wir uns in dem Gewerbegebiet sicher sein, von Anwohnerklagen wegen Lärmbelästigung verschont zu bleiben“, sagt der 38-jährige Handwerksmeister.

Doch diese Sicherheit hat er längst nicht mehr, seit die Stadt für den Bereich einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben hat. Die Pläne sehen ein Mischgebiet aus Gewerbe und Wohnnungen vor. Und das hat für Golißas Unternehmen weitreichende Folgen: „Mit dem Beschluss des neuen Bebauungsplans werden Grundstückspreise um ein Mehrfaches steigen. Genau das weckt schon heute Begehrlichkeiten bei den Eigentümern. Der Anruf meines Vermieters kam schon“, sagt der Handwerksmeister. Und er sieht voraus: Das Grundstück, auf dem er jetzt seinen Betrieb führt, werde an Investoren verkauft, die dann mehrgeschossige Wohn- und Gewerbeimmobilien bauen. Die gingen dann an Anwälte oder Steuerberater. Und es werde Verkaufsflächen geben, die wenig mit dem heute hier ansässigen Gewerbe zu tun hätten.

Selbst wenn er seinen Betrieb dann an dieser Stelle weiterführe, werde das Konfliktpotenzial steigen. Golißa: „Anders als in einem Gewerbegebiet, in dem die Lärmbelastung am Tag bei 65 bis 70 Dezibel liegen darf, liegt sie in einem Wohngebiet nur bei 50 bis 55 Dezibel. Diejenigen, die dann hier für teures Geld neu mieten oder kaufen, werden sich ihr Recht von 50 bis 55 Dezibel erstreiten.“

Dachdeckermeister Stefan Golißa ist offenbar ein typisches Beispiel für diejenigen Handwerksbetriebe, die sich vor allem in den größeren Städten durch „heranrückende Wohnbebauung“ bedrängt fühlen. In einer nicht repräsentativen Umfrage der Handwerkskammer Düsseldorf zur Standortzufriedenheit, an der sich 198 Betriebe beteiligten, gaben fast zwei Drittel der befragten Betriebe an, in Mischgebieten ihren Sitz zu haben. Axel Fuhrmann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer: „Entsprechend stark ist das Handwerk darauf angewiesen, dass hier bau- oder umweltrechtliche Nutzungseinschränkungen durch heranrückende Wohnbebauung möglichst vermieden werden.“ Dennoch sei auch für diejenigen Betriebe, die laut der Umfrage eine Standortverlagerung in Betracht ziehen, diese oftmals kein gangbarer Weg. Entweder gebe es in der Stadt keine verfügbaren Flächen oder aber diese seien nicht bezahlbar. Fuhrmann appelliert an die Kommunen, vorhandene Gewerbestandorte zu erhalten und einer Verdrängung von Betrieben vorzubeugen. In Gewerbegebieten dürften bestehende Gewerbeanlagen nicht durch Überplanung oder heranrückende Wohnungen verschlechtert werden. Der Handwerks-Manager mahnt: „Es geht um die Entwicklungsmöglichkeiten eines ganzen Wirtschaftssektors, der in der Wertschöpfungskette und für die Versorgung mit Dienstleistung vor Ort unverzichtbar ist. Wir dürfen keinen Betrieb hängen lassen.“