Umstrittene Maßnahme Hat der Tankrabatt überhaupt Wirkung? Das sagt Bundeskanzler Scholz
Berlin · Die Preise an den Tankstellen geben trotz der niedrigeren Spritsteuern nicht wirklich nach. Wirkt die Maßnahme überhaupt? Nun hat auch Bundeskanzler Scholz eine Einschätzung abgegeben.
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht eine teilweise Wirkung des umstrittenen Tankrabatts.
Ein Regierungssprecher sagte am Montag in Berlin, die Einschätzung des Kanzlers sei, dass der Tankrabatt durchaus teilweise wirke. Es sei nicht so, dass die Steuersenkung nichts gebracht habe. Es sei davon auszugehen, dass die Preise an den Tankstellen deutlich höher wären, wenn es die Steuersenkung nicht geben würde. Überlegungen, den Tankrabatt zu ändern oder zu streichen, gebe es nicht.
Die Bundesregierung werde aber ganz genau hinschauen, ob jemand diese Situation ausnutze und Gewinne mache, die nicht gerechtfertigt seien, so der Sprecher. Das Kanzleramt werde sich die Vorschläge des Wirtschaftsministeriums genau anschauen.
Habeck will Kartellrecht schnell schärfen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will angesichts anhaltend hoher Spritpreise „möglichst schnell“ Vorschläge für ein schärferes Kartellrecht vorlegen. „Wir machen ein Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“, sagte Habeck am Montag. Er könne und werde die Idee einer Übergewinn-Besteuerung zwar nicht vom Tisch nehmen, da er sie für richtig halte, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk. Mit Blick auf den Widerstand der FDP sagte Habeck aber, die Übergewinn-Besteuerung scheine in der Ampel-Koalition nicht mehrheitsfähig zu sein. Also werde jetzt das Kartellrecht genutzt.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hält den „Tankrabatt“ trotz aller Zweifel für richtig. Die Spritpreise wären ohne den Steuernachlass „wesentlich höher“, sagte der FDP-Politiker am Sonntagabend in ARD und ZDF. Mit Blick auf den Vorstoß von Habeck für ein schärferes Kartellrecht sagte Lindner, „die Richtung stimmt“.
Steuerentlastung zum 1. Juni
Zum 1. Juni war zur Entlastung der Autofahrer die Energiesteuer auf Benzin und Diesel gesenkt worden. An den Zapfsäulen wurde dies aber kaum spürbar. Am Sonntag kostete ein Liter Super E10 im bundesweiten Durchschnitt 1,952 Euro und Diesel 2,033 Euro, wie der ADAC mitteilte. Am Freitag hatte Super laut ADAC 1,945 und Diesel 2,016 Euro gekostet. Der Spritpreis habe sich deutlich vom Rohölpreis entkoppelt: „Die Steuersenkung landet zum großen Teil bei den Mineralölkonzernen und kommt zu wenig bei den Autofahrern an“, sagte ein ADAC-Sprecher. Super E10 sei 20 Cent billiger als am 31. Mai, dem Tag vor der Steuersenkung. Der Dieselpreis aber sei auf dem Stand vom 11. Mai und nur noch einen Cent unter dem Stand vom 31. Mai.
Lindner wehrte sich in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ und in den ARD-„Tagesthemen“ gegen den Eindruck, dass der Tankrabatt ein Rohrkrepierer sei. Er verwies auf gestiegene Weltmarktpreise, den starken Dollar und die Knappheit bei Raffinerien als Faktoren für die Preisbildung. „Ich habe den Eindruck, dass die Debatte da etwas emotional aufgeladen ist“, befand er im ZDF.
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte der „Rheinischen Post“ (Montag): „Der Tankrabatt ist für die Pendlerinnen und Pendler da, nicht für die Öl-Multis.“ Grünen-Parteichefin Ricarda Lang räumte im ARD-„Bericht aus Berlin“ ein, dass der Rabatt faktisch nicht die Menschen entlaste, sondern die Mineralölkonzerne. Dennoch halte ihre Partei an dem Steuernachlass fest. „Wir stehen zu Kompromissen, die wir gemeinsam in der Ampel-Koalition verabschiedet haben.“ Klar sei aber: „Wir haben kein Interesse daran zuzuschauen, wie die Mineralölkonzerne große Gewinne machen.“ Die Debatte über andere Instrumente wie eine Übergewinnsteuer sei noch nicht abgeschlossen.
Mehr Eingriffsmöglichkeiten für das Kartellamt
Nach Habecks Plänen soll das Kartellamt mehr Eingriffsmöglichkeiten erhalten, um gegen Mineralölkonzerne schärfer vorgehen zu können. Wettbewerbshüter sollen neben schlagkräftigere Sektoruntersuchungen auch Gewinne abschöpfen können, wenn Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Als letztes Mittel sollen Entflechtungen bei marktbeherrschenden Stellungen möglich sein.
Laut Habeck können nach geltendem Kartellrecht theoretisch zwar schon jetzt Gewinne abgeschöpft werden. Aber dies sei schwer anzuwenden, weil der Nachweis erbracht werden müsse, dass es ein Kartell sei. Um diesen Nachweis zu erleichtern - „also diesen vermachteten Markt“, der wie ein Kartell funktioniere, müsse das Kartellrecht reformiert werden. Entflechtungen habe es in Deutschland schon gegeben, sagte Habeck. „Politik ist nicht so wehrlos wie man manchmal denkt.“
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag): „Vorschläge, die verfassungskonform sind und Deutschland als Investitionsstandort nicht schaden, sind willkommen.“ Im ZDF-Morgenmagazin sagte Dürr, vor allem sei man weg von der Debatte über eine Übergewinnsteuer, die ganz andere, innovative Unternehmen treffen und dem Standort Deutschland schaden würde. Das Kartellrecht sei das richtige Instrument, sagte Dürr. „Und ich bin da zuversichtlich, dass wir da zu einer Lösung kommen.“
Die Union bewertete den Vorstoß von Habeck skeptisch. Zwar betonte Fraktionsvize Thorsten Frei in der „Rheinischen Post“ (Montag), der Tankrabatt dürfe nicht zur Gewinnmaximierung missbraucht werden. Das Kartellamt habe aber bereits Eingriffsmöglichkeiten. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, nannte Habecks Vorschlag eine „wichtige Initiative“. Das Problem mit den Mineralölkonzernen sei nicht, dass diese per se Gewinne erzielten, „sondern dass sie ihre Marktmacht zulasten der Konsumenten missbrauchen“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“.
Esken begrüßt Habeck-Ankündigung
SPD-Chefin Saskia Esken hat die angekündigte Verschärfung des Kartellrechts angesichts hoher Spritpreise als spät eingestuft, aber begrüßt. „Das wäre längst Zeit gewesen, aber ich bin froh, dass es jetzt auf den Weg kommt“, sagte Esken in Berlin. Sie verwies darauf, dass Habeck in der Regierung für das Thema zuständig sei.
Mit Blick auf den Tankrabatt sagte Esken, entscheidend sei, „dass solche Maßnahmen, die von allen Steuerzahlern getragen werden, bei den Verbraucherinnen und Verbraucher ankommen und nicht in der Tasche der Konzerne landen“. Wie Mineralölkonzerne die gegenwärtige Krise ausnutzten, könne „man nur als schamlos bezeichnen“.
Zu Recht werde in Deutschland auch über eine Übergewinnsteuer debattiert, mit der Krisengewinne von Unternehmen abgeschöpft werden sollen, sagte Esken.
Zugleich stellte die SPD-Chefin fest, dass die Regierung an den angekündigten Milliarden-Investitionen für Klimaneutralität und Digitalisierung und ihren sozialen Projekten festhalten wolle. Vor dem Hintergrund des drohenden Konflikts in der Koalition über die Schuldenbremse betonte Esken, dass es die Verfassung auch weiterhin erlaube, in krisenhaften Situationen die Schuldenbremse außer Kraft zu setzen. „Da werden wir drüber zu reden haben.“ FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hatte deutlich gemacht, dass er die Schuldenbremse 2023 wieder einhalten wolle.
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