Neue Regierung Haushaltspolitik in Rom: EU-Kommission mahnt zum Kurshalten
Brüssel (dpa) - Kurz vor der möglichen Bildung einer rechts-populistischen Regierung in Rom hat die EU-Kommission an Italien appelliert, Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung weiter zu senken. Derzeit sei Italien auf dem richtigen Weg und erfülle die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Doch die Geschichte sei noch nicht zu Ende, meinte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. In Frankreich sieht die Behörde positive Entwicklungen, an Deutschland richtet sie einmal mehr mahnende Worte.
In den vergangenen Tagen hatten EU-Politiker Sorgen wegen der Ausgabepläne der angepeilten Regierungskoalition aus rechter Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung geäußert, weil sie Schulden und Haushaltsdefizit in die Höhe treiben könnten.
Italien ist bereits mit knapp 132 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet, nach Griechenland ist das der zweithöchste Wert in Europa. Erlaubt sind 60 Prozent, die jährliche Neuverschuldung darf zudem drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten.
Ohne Politikwechsel werde die sehr hohe Gesamtverschuldung des Landes in diesem und im nächsten Jahr leicht zurückgehen, sagte Moscovici. Was tatsächlich passiere, könne die EU-Kommission aber erst im Nachhinein bewerten.
Zum jetzigen Zeitpunkt sei ein Verfahren gegen Italien nicht gerechtfertigt, betonte Moscovici weiter. Die Haushalts- und Schuldenwerte seien auf dem Weg der Besserung - unter der Voraussetzung, dass die politische Linie nicht verändert werde.
In Frankreich sieht die EU-Kommission gute Entwicklungen. Nach neun Jahren solle das EU-Verfahren gegen Frankreich wegen zu hoher Haushaltsdefizite offiziell zu Ende gehen, empfahl die Behörde. 2017 lag die Neuverschuldung bei nur noch 2,6 Prozent der Wirtschaftskraft und damit zum ersten Mal seit 2007 unter der erlaubten Schwelle.
Das entsprechende EU-Defizitverfahren gegen Frankreich lief seit 2009. Die Empfehlung der Kommission muss nun noch von den Finanzministern angenommen werden.
An Deutschland richtete die EU-Kommission einmal mehr mahnende Worte. Die Bundesregierung müsse mehr für Investitionen in Bildung, Forschung und Innovationen tun. Deutschland müsse zudem größere Anstrengungen zum Ausbau von schnellem Breitband-Internet leisten. Darüber hinaus sollte das Steuersystems verbessert werden. Außerdem müsse die Bundesregierung die Voraussetzungen dafür vorantreiben, dass höhere Lohn- und Gehaltszuwächse möglich werden.
„Die Empfehlungen treffen den Nagel auf den Kopf“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang. „Strukturreformen und ein investitionsfreundlicheres Steuersystem in Deutschland sind dringend erforderlich.“
Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Achim Dercks, sagte: „Gerade in Zeiten von Rekordüberschüssen in seinen öffentlichen Haushalten hätte Deutschland den Spielraum, ein solches Urteil zu vermeiden. Die letzte umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung mit Entlastungen für die Unternehmen liegt mittlerweile bereits zehn Jahre zurück.“
Mahnende Worte aus Brüssel gab es außerdem an Ungarn und Rumänien. Beide Staaten betrieben eine „expansive Fiskalpolitik“ mit erhöhten Staatsausgaben und Steuersenkungen. Es bestehe daher die Gefahr, dass sie die europäischen Haushaltsvorgaben nicht einhielten. Da beide Länder aber nicht Mitglied der Euro-Zone sind, kann Brüssel hier im äußersten Fall keine Sanktionen vorschlagen.
Unterm Strich hat sich die Lage in Europa aus Sicht der EU-Kommission aber deutlich verbessert. Nur noch gegen Spanien laufe ein Verfahren wegen überhöhter Haushaltsdefizite weiter, sagte EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis. 2011 waren es in der Wirtschafts- und Finanzkrise 24 Länder gewesen. Das eröffne nun Möglichkeiten für eine Ausweitung der Eurozone, meinte Moscovici.
Von den sieben verbleibenden EU-Staaten, die rechtlich verpflichtet sind, der Gemeinschaftswährung beizutreten, erfüllt laut Kommission im Moment aber keiner die Beitrittskriterien. Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, die Tschechische Republik und Ungarn könnten zwar solide öffentlicher Finanzen vorweisen. Voraussetzung sei aber auch, vor dem Euro-Beitritt mindestens zwei Jahre lang erfolgreich am Wechselkursmechanismus (WKM II) teilgenommen zu haben. Dieser ist sozusagen das Wartezimmer für den Euro. Die Währungen der jeweiligen Länder dürfen darin nur innerhalb einer begrenzten Bandbreite zum Euro auf- oder abwerten.