Geopolitische Risiken Höhenflug der Ölpreise macht Autofahren teurer
Frankfurt/Main (dpa) - Trübe Aussichten für viele Autofahrer: Nach einem kräftiger Anstieg der Preise für Rohöl auf dem Weltmarkt müssen sie beim Tanken etwas tiefer in die Tasche greifen.
Seit Mitte Juni ist der Preis für das in Europa besonders wichtige Brent-Rohöl aus der Nordsee um etwa 30 Prozent gestiegen. Am Dienstag wurde ein Barrel für 59,49 US-Dollar gehandelt und damit so hoch wie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr. Allerdings sind die Preise für Kraftstoffe an den Tankstellen im gleichen Zeitraum nur vergleichsweise leicht gestiegen.
Eine stärkere Weltwirtschaft mit einem robusten Aufschwung in Europa treibt die Nachfrage nach Rohöl. Jüngster Preistreiber am Ölmarkt ist aber eine handfeste Drohung aus der Türkei. Im Streit um eine Abstimmung über die Unabhängigkeit des Kurdengebiets im Nordirak hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Druck auf die kurdischen Regionen im Norden des Iraks erhöht.
„Der jüngste Preissprung war auf die Drohung des türkischen Staatspräsidenten Erdogan zurückzuführen, kein Öl mehr aus der Kurdenprovinz im Nordirak abzunehmen“, sagte der Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank.
Es geht um die Ölexporte, die für die Autonomieregierung im Nordirak besonders wichtig sind. Diese werden durch Pipelines an die Küste des Mittelmeeres transportiert und führen über türkisches Territorium. In den Staatsmedien der Türkei wurde Erdogan wie folgt zitiert: „Der Hahn ist bei uns. Sie sind erledigt, sobald wir ihn zudrehen.“
Die Reaktion der Ölpreise auf die jüngste Entwicklung im Norden des Iraks zeigt, dass geopolitische Risiken in ölreichen Regionen der Welt wieder stärker in den Fokus rücken. An den Ölmärkten waren diese lange Zeit mehr oder weniger ausgeblendet worden. Zuvor hatten bereits Auswirkungen von tropischen Wirbelstürmen auf die US-Ölindustrie deutlich stärkere Preisausschläge an den Rohstoffmärkten zur Folge als in den Jahren zuvor.
Der jüngste Höhenflug der Ölpreise spiegelt sich bereits ein Stück weit bei der Preisgestaltung an deutschen Zapfsäulen wider. Nach Angaben des Verbraucherportals „clever-tanken.de“ stieg der Durchschnittspreis für Diesel in den 100 größten deutschen Städten von etwas mehr als 1,08 Euro je Liter Anfang Juli auf zuletzt etwa 1,15 Euro je Liter und damit um mehr als sechs Prozent.
Beim Super E10-Kraftstoff gab es im gleichen Zeitraum einen Anstieg von etwa 1,30 Euro je Liter auf rund 1,32 Euro je Liter. „Dies zeigt, wie deutlich der Markt die Entwicklung der Rohölpreise abfedern kann“, kommentierte Christoph Bender, Geschäftsführer beim Mineralölwirtschaftsverband die Daten.
Die jüngste Preisentwicklung am Ölmarkt spielt der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) in die Karten. Das Ölkartell versucht gemeinsam mit anderen wichtigen Förderländern wie Russland dem Ölpreis durch eine Kürzung der Produktionsmenge Auftrieb zu verleihen. Zuvor hatte ein starkes Überangebot an Rohöl auf dem Weltmarkt zu einem massiven Preisverfall in den Jahren 2014 und 2015 geführt.
Als wichtiger Preistreiber beim Öl gilt außerdem die jüngste Nachfrageprognose der Internationalen Energieagentur (IEA). Die Agentur, in der sich führende Industriestaaten als Interessenvertretung zusammengeschlossen haben, hatte Mitte des Monats erklärt, dass sie mit einer weltweit stärkeren Nachfrage rechne. Noch herrscht auf dem Weltmarkt ein Überangebot an Rohöl, was die Preise tendenziell belastet. Aber in der IEA-Prognose heißt es: „Der Ausgleich des überversorgten Weltmarktes setzt sich fort.“
Bisher erkennen Rohstoffexperten kein Ende für den aktuellen Höhenflug am Ölmarkt. „Es könnte kurzfristig weiter nach oben gehen“, sagte Commerzbank-Experte Fritsch. Es sei nicht auszuschließen, dass der Brent-Preis die Marke von 60 Dollar je Barrel knacken könnte.