Fuest will Übergangsphase Ifo-Chef warnt vor hartem Brexit
Berlin (dpa) - Der Chef des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat vor einem harten EU-Austritt Großbritanniens (Brexit) gewarnt und für ein Übergangsszenario geworben. „Ich hoffe, dass alle Seiten zur Vernunft kommen und es zu keinem harten Brexit kommt“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Der Top-Ökonom warb für eine Übergangsphase nach dem offiziellen EU-Austritt von möglicherweise bis zu zehn Jahren, damit Großbritannien nicht plötzlich aus dem europäischen Binnenmarkt austrete und Zeit bestehe für neue Abkommen. Für die Zeit danach könnten die langfristigen Beziehungen der Briten mit der EU geklärt werden: „Das wäre der eleganteste und wohl einzig mögliche Weg.“
Damit stellt sich der ifo-Präsident gegen die bisherigen Linie von EU-Politikern, wonach Großbritannien nur Zugang zum Binnenmarkt behalten solle, wenn das Land Freizügigkeit von EU-Bürgern akzeptiere. Premierministerin Theresa May hatte einen harten Brexit angekündigt. Sie will die Zuwanderung begrenzen, womit das Vereinigte Königreich den Zugang zum EU-Binnenmarkt verlöre.
Mit Blick auf den Wertverfall der Währung Pfund und des Londoner Aktienindex sagte Fuest, die Finanzmärkte hätten klare Worte gesprochen. Der Wertverfall bedeute einen starken Wohlstandsverlust für die Briten. Jetzt gebe es in Großbritannien ein Nachdenken darüber, wie man „den Schaden begrenzen“ könne.
„Eines ist klar: Wenn der Verfall des Pfundes weiter geht, wird die britische Regierung ihren Kurs nicht halten können“, sagte der ifo-Chef. Schließlich sei den Briten vor dem Votum versprochen worden, sie könnten den Brexit bekommen und dabei noch Geld sparen: „Die Bewegung an den Märkten wird die britische Politik beeinflussen“, meinte Fuest, der auch zum Beraterkreis des Bundesfinanzministeriums gehört.
Zu den jüngsten Äußerungen Mays sagte er: „Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“ Die Regierungschefin habe damit auf die Debatte in Großbritannien reagiert, ob es überhaupt einen Austritt geben werde - sowie auf den Vorwurf der EU, London wolle sich nur die Rosinen herauspicken. May sei gezwungen klarzustellen, dass man keine Sonderbehandlung erwarte.
Nach innen habe sie mit dem Schwenk zu mehr Interventionismus und Kritik an politischen Eliten populistische Töne angeschlagen. Bei der Zuwanderung werde May aber letztlich liefern müssen.
„Meine Hoffnung ist - wenn sich das einmal gesetzt hat -, dass dann Europa und Großbritannien neu anfangen, miteinander zu reden“, sagte Fuest. Es gebe Wege, dies zu glätten. „Ich setze auf das Übergangsszenario, um den Schaden zu minimieren.“
Natürlich stünden in anderen EU-Staaten Wahlen an. Da mache sich das Bild gut, die Briten würden jetzt bestraft. „Das ist aber extrem kontraproduktiv.“ Europa sei der schwache Mann der Weltwirtschaft. „Und in dieser Situation fangen wir an, uns zu streiten“, kritisierte Fuest.