Immer mehr Deutsche arbeiten am Wochenende oder nachts
Berlin (dpa) - Immer mehr Bundesbürger arbeiten, wenn andere Feierabend haben: Altenpfleger, Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Lkw-Fahrer oder Kellner sind zunehmend am Wochenende, in der Nacht oder im Schichtbetrieb im Einsatz.
Nach einer aktuellen Erhebung mussten 2011 ein Viertel oder 25,3 Prozent der Beschäftigten an Wochenenden zur Arbeit und Geld verdienen. 2001 waren es erst 20,6 Prozent. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, über die die „Süddeutsche Zeitung“ (Montag) zuerst berichtete. Demnach arbeiteten im Jahr 2011 etwa 8,9 Millionen Beschäftigte „ständig oder regelmäßig am Wochenende“ - nach 6,7 Millionen im Jahr 2001.
Auch bei der Nachtarbeit gab es Zuwachs: Von 7,8 auf 9,4 Prozent der Beschäftigten. Schichtarbeit leisteten zuletzt 15,6 Prozent der Arbeitnehmer - nach zuvor 13,6 Prozent. Die Entwicklung führt das Bundesarbeitsministerium vor allem auf die Beschäftigungszunahme in der Pflegebranche mit ihren Rund-um-die-Uhr-Einsätzen zurück. Ähnliches gelte auch für den Medizinbetrieb und den Sozialsektor, sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag in Berlin.
Die Zunahme sei deshalb „nicht direkt verwunderlich“. Zum Problem werde die Entwicklung erst, wenn es Missbrauch gebe, etwa wenn gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, Leute ohne Vergütung mehr arbeiten müssten oder Ausgleichsstunden nicht gewährt würden.
Überlange Arbeitszeiten sind nach Darstellung der Regierung „nach wie vor eine Ausnahme“. Sie nahmen im untersuchten Zeitraum dennoch zu. Mehr als 48 Stunden die Woche werkelten 2011 etwa 1,92 Millionen Arbeitnehmer. 2001 waren es noch 1,56 Millionen, ein Zuwachs von immerhin 23 Prozent. Besonders weit verbreitet sind solche überlangen Arbeitszeiten bei Lehrern, Ingenieuren und bei „Berufen der Unternehmensleitung, -beratung und -prüfung“.
In ihrer Antwort weist die Bundesregierung auf das steigende Risiko psychischer Belastungen für Schichtarbeiter hin und dass für diese „erhöhte gesundheitliche Risiken bestehen“. Das Statistische Bundesamt hatte diese Entwicklung bereits im August vergangenen Jahres mit ähnlichen Daten beschrieben.
Die Arbeitsmarktexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Jutta Krellmann, nannte die Zahlen alarmierend. „Der Psychostress ist eine tickende Zeitbombe in der Arbeitswelt und muss endlich eingedämmt werden.“ Sie fordert wie die IG Metall eine Anti-Stress-Verordnung im Arbeitsschutzgesetz. Nach Angaben der Regierung ist die Zahl der offiziell registrierten Verstöße seit 2007 um fast ein Drittel auf gut 12 000 gestiegen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält es für „wichtig, dass es für die betroffenen Arbeitnehmer Ausgleichsregelungen gibt.“ Aus Sicht von Entwicklungsminister Dirk Niebel (ebenfalls FDP) hängen die vielen Jobs an Wochenenden oder nachts vom veränderten Konsum- und Freizeitverhalten ab. „Das bringt mehr Unruhe ins tägliche Leben.“ Zugleich steige aber mit den guten Beschäftigungszahlen die Chance auf mehr Wohlstand in Deutschland.
Für die Arbeitgebervereinigung BDA sind viele Bereiche, wie der Gesundheitsbereich, Polizei und Feuerwehr oder der Verkehrssektor, „zwingend darauf angewiesen, dass Beschäftigung auch jenseits üblicher Arbeitszeiten stattfindet“. Auch Beschäftigte hätten daran Interesse. Gesetzlich seien die Betriebe gehalten, Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit so zu gestalten, dass von ihnen keine krankmachenden Wirkungen ausgehen. Eine Anti-Stress-Verordnung sei überflüssig.