Interview: Wirtschaftswissenschaftler hält Staatspleite in Zypern für vertretbar
Der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther kritisiert die EU-Pläne für Zypern. Er hält eine Staatspleite für verkraftbar.
Köln. Der Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hält es grundsätzlich für überflüssig, ein Rettungspaket für Zypern zu schnüren. Europa habe mittlerweile ein Sicherungssystem, das den Euro auf Dauer tragen könne, sagte Hüther im Gespräch mit unserer Zeitung.
Herr Hüther, erst waren europäische Staatsanleihen nicht mehr sicher, jetzt sind auch private Spareinlagen keine sichere Bank mehr. Ist die europäische Finanzkrise zurück?
Michael Hüther: Angesichts dieser Zypern-Lösung besteht tatsächlich ein Risiko, dass die Finanzkrise zurückkehrt. Wenn man allerdings klar kommuniziert, dass Zypern mit seinem aufgeblähten Bankensektor ein Sonderfall ist, dann sollte es gelingen, dieses Risiko einzudämmen.
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger spricht von einem Tabubruch. Es bestehe die Gefahr, dass die Sparer in anderen Ländern verunsichert würden und ihre Konten räumen könnten. Das klingt doch plausibel, oder?
Hüther: Da ist sicher etwas dran. Aber man muss auch die Alternative sehen. Sie besteht darin, die Banken in Zypern abzuwickeln. Dann hätten die privaten Sparer noch viel größere Verluste zu befürchten, als einen geringen Anteil ihrer Sparguthaben. Es wird ja so getan, als gäbe es einen Anspruch auf Rettung. Den gibt es aber nicht. Jede Krisen-Lösung bringt ungewünschte Effekte mit sich. Es gibt keinen Königsweg.
Warum muss Zypern eigentlich gerettet werden? Ist das Land für den Euro wirklich systemrelevant?
Hüther: Das kann man zu Recht in Zweifel ziehen. Auch in den USA haben einzelnen Staaten schon ihren finanzpolitischen Handlungsspielraum verloren, ohne dass die Nation untergegangen ist. Zypern ist eine relativ kleine Volkswirtschaft. Man hätte also auch den Weg der staatlichen Insolvenz gehen können. Nun hat die EU entschieden, die europäische Hilfe für Zypern mit einer Eigenbeteiligung der privaten Anleger zu kombinieren. Aber wenn man das schon macht, dann hätte man das besser kommunizieren und auch anders ausgestalten müssen.
Sollen Kleinanleger verschont bleiben, wie es die Opposition fordert?
Hüther: Wenn Zypern einen Eigenbeitrag von 5,8 Milliarden Euro für seine Rettung leisten soll, dann wird man auch an den Kleinanlegern nicht vorbei kommen. Denn wenn dann umso mehr die Vermögenden geschröpft werden, dann kann das auch zu einer nachhaltigen Abschreckung von Investoren führen. Eine bessere soziale Staffelung will ich damit aber nicht ausschließen. Ein Paket mit einer Freigrenze für kleine Spareinlagen von ein paar tausend Euro wäre sicher politisch besser zu vermitteln und im Parlament von Nikosia auch leichter durchsetzbar.
Dieses Parlament hat eine Entscheidung darüber am Montag erneut verschoben. Wie bewerten Sie das?
Hüther: Dieser Schwebezustand führt zu einer Verunsicherung bei allen internationalen Anlegern. Lange wird man solche Bankfeiertage nicht durchhalten können. Schließlich müssen die Geldinstitute den Liquiditätskreislauf aufrechterhalten. Die Alternative ist, ich sage es noch einmal, Zypern pleitegehen zu lassen. Europa muss nicht jede kleine Bude retten. Wir haben mittlerweile ein Sicherungssystem in Europa, das den Euro auf Dauer tragen kann. Dass viele den gegenteiligen Eindruck haben, dafür ist leider auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mitverantwortlich.