Elf Milliarden von Deutschland IWF für neuen Euro-Krisenfonds

Berlin (dpa) - Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, macht sich zur Stabilisierung der Euro-Zone für einen milliardenschweren „Schlechtwetterfonds“ stark.

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Jedes Euro-Land solle pro Jahr 0,35 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) dort einzahlen, sagte sie bei einer Rede des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin - für Deutschland wären das rund elf Milliarden Euro im Jahr. Für relativ geringere Kosten könnte damit die Finanzrisiken bei plötzlichen Verwerfungen deutlich reduziert werden, betonte Lagarde.

Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte dazu, man müsse sich erst die Details anschauen, bevor man hierzu einen Position beziehen könne. In der Vergangenheit war die EU schlecht gerüstet für Finanz- und Schuldenkrisen wie in Griechenland - was am Ende die Steuerzahler teuer zu stehen kommen kann.

Die Euro-Länder vereinbarten dann 2012 den dauerhaften Rettungsfonds ESM als Nachfolger des befristeten Schutzschirmes EFSF. Der ESM kann maximal Finanzhilfen in Höhe von rund 500 Milliarden Euro vergeben, sein Stammkapital liegt bei mehr als 700 Milliarden Euro. Möglich sind Hilfskredite, vorsorgliche Programme sowie Mittel, um Banken zu stärken. Hilfen für Euro-Länder sind auch an Reformauflagen gebunden. Aktuell gibt es eine Debatte, den ESM zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) auszubauen.

Lagarde betonte, zwar sei das Wachstum mit erwarteten 2,2 Prozent für die Eurozone im fünften Jahr stabil. „Aber da sind andere starke Gegenwinde. Denken Sie an den Aufstieg des Populismus und die ertönenden Sirenen des Protektionismus.“

Der IWF-Vorschlag für einen neuen Krisenfonds und eine bessere finanz- und steuerpolitische Zusammenarbeit sieht vor, dass der Fonds mit jährlichen Beiträgen - jenen 0,35 Prozent des BIP - finanziert wird, „um Rücklagen in guten Zeiten aufzubauen und Unterstützungstransfers für bestimmte Länder in schlechten Zeiten leisten zu können“. Treten bestimmte Krisenszenarien ein, könnten die Krisenmittel fließen.

Die Idee an sich ist nicht neu, wohl aber das konkrete Volumen. Lagarde erinnerte an Krisen wie den Zusammenbruch mehrerer Banken 2008 - und die folgende Schaffung von Stabilisierungsfonds wie den aktuellen ESM, der bisher bei Schieflagen Euro-Länder mit Krediten und Bürgschaften vor einer Pleite bewahren soll. Lagarde betonte, Vorsorge sei immer günstiger. Daher unterstütze sie auch die Idee einer verbesserten Bankenunion in Europa mit klaren Regeln, um Zusammenbrüchen und Fehlmanagement künftig besser vorzubeugen.

Schon im vergangenen Jahr hatte der Chefs des Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, einen neuen Krisenfonds ins Spiel gebracht. Als Größenordnung nannte er einen Betrag in Höhe von 1 bis 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Euro-Zone - bis zu 200 Milliarden Euro. Bei der Finanzierung könne man sich auch an den USA orientieren, sagte er dem „Handelsblatt“. Die US-Bundesstaaten haben „rainy-day-funds“ („Regentage-Fonds“) mit Beiträgen aus ihren Landeshaushalten gefüllt.

Derzeit wird intensiv über eine Reform der Eurozone, also der 19 von 28 EU-Staaten mit dem Euro als Währung diskutiert. Besonders Frankreichs Präsident Emmanuel Macron pocht darauf, im Juni wollen er und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim nächsten EU-Gipfel erste Pläne vorlegen. Umstritten ist besonders eine stärkere Banken-Kooperation.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, betonte: „Es ist besser, in Krisen frühzeitig zu helfen, als später höhere Kosten der Krisenbewältigung zu schultern“. Allerdings sollte das Volumen eines solchen Fonds viel geringer sein als von Lagarde vorgeschlagen. . „Die Verwendung der Mittel müsste zudem eindeutig auf investive Maßnahmen beschränkt werden. Das würde verhindern, dass in einem betroffenen Land staatliche Investitionen krisenverschärfend zurückgefahren werden müssen.“