IWF warnt vor neuer Rezession: "Europa muss die Kurve kriegen"
Washington. Nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) befindet sich die Weltwirtschaft in einer "gefährlichen neuen Phase". Ohne überzeugende Schritte zur Krisenbewältigung könnten sowohl die Eurozone als auch die USA in eine zweite Rezession abgleiten.
Als vorrangiges Risiko, so der IWF in seinem neuen Weltwirtschaftsausblick (WEO), ist eine weitere Zuspitzung der Euro-Krise anzusehen, die außer Kontrolle geraten und auf die Gesamtwirtschaft überschwappen könnte.
Zum zweiten Mal seit der Veröffentlichung des letzten WEO im April hat der Währungsfonds seine Konjunkturprognosen deutlich nach unten korrigiert. Demnach wird die Weltwirtschaft nach einem Plus von 5,1 Prozent in 2010 im laufenden Jahr und in 2012 um jeweils 4,0 Prozent zulegen. Getragen wird der globale Aufschwung erneut von den Schwellen- und Entwicklungsländern, während sich das Wachstum in den führenden Industrienationen weiter abschwächt.
Für Deutschland wird nach einer Wachstumsrate von 3,6 Prozent im Vorjahr in 2011 mit einer Zunahme der Wirtschaftsleistung um 2,7 Prozent und nicht, wie im Juni angenommen, mit einem Plus von 3,2 Prozent gerechnet. In 2012 werde das Bruttoinlandsprodukt nur noch um 1,3 Prozent zunehmen.
Die Arbeitslosenrate in Deutschland wird nach Ansicht des IWF dieses Jahr bei 6,0 Prozent liegen und in 2012 nur leicht anziehen, nämlich auf 6,2 Prozent, während die Inflationsrate von derzeit 2,2 auf 1,3 Prozent zurückgehen wird. In der Eurozone wird die Wachstumsrate dieses Jahr bei 1,6 Prozent liegen und sich dann auf 1,1 Prozent verringern.
IWF-Chefökonom Olivier Blanchard betonte, dass international koordinierte Schritte zum Schuldenabbau, zur Stabilisierung des Finanzsystems und zum Abbau globaler Ungleichgewichte unverzichtbar seien, "damit wir auf eine stärkere und robustere Erholung hoffen dürfen". Im Euroland fordert der IWF weitere Rekapitalisierungsmaßnahmen zur Stärkung des Bankensystems. Auch müssten die beim Eurozonen-Gipfel im Juli beschlossenen Maßnahmen zügig und konsequent umgesetzt werden.
Während die Pläne zur mittelfristigen Konsolidierung der Staatshaushalte als "angemessen" bezeichnet werden, müsse die EZB flexibel bleiben und im Falle anhaltender Wachstumsschwäche zu Zinssenkungen bereit sein, sagte der IWF.
Auch die Probleme der USA fallen schwer ins Gewicht. Die größten Gefahren gehen demnach von der Dauerschwäche am Häusermarkt, dem hohen Schuldenstand sowie Risiken am Finanzmarkt aus. Nicht ausschließen will der IWF sowohl im Euroland als auch den USA ein Schreckensszenario, wonach die Wachstumsrate drei Prozentpunkte unter den ursprünglichen Erwartungen liegt und beide erneut in eine Rezession abgleiten.
Laut Blanchard haben die Politiker in der Eurozone daher "nicht den Luxus, zu warten". Die Dinge könnten "jederzeit" schief gehen. "Unsere ausdrückliche Botschaft ist, dass Europa die Kurve kriegen muss", betonte Blanchard.
Deutschland stemmt sich trotz der trüben Aussichten weiter gegen Konjunkturspritzen. Forderungen nach kurzfristigen, stimulierenden Maßnahmen gegen den Wirtschaftsabschwung seien wenig hilfreich, hieß es in Regierungskreisen in Berlin. "Man bekämpft eine Schuldenkrise nicht mit mehr Schulden." Dies werde Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim Treffen mit den Ressortkollegen und Notenbankchefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) am Donnerstag in Washington nochmals deutlich machen. Vor allem die USA drängen die Europäer zu weiteren Milliardenhilfen gegen eine drohende Rezession.