Jede dritte Firma wird Opfer von Kriminalität

Vier von fünf Unternehmen sind nicht professionell gegen Vergehen der Mitarbeiter aufgestellt.

Düsseldorf. Firmengeld wird abgezweigt, Daten und Material werden gestohlen, Verwandte über Scheinanstellungen versorgt — Wirtschaftskriminalität ist in Deutschland weit verbreitet. Laut Bundeskriminalamt entsteht dadurch jedes Jahr ein Schaden in Milliardenhöhe.

Doch 83 Prozent aller Unternehmen in öffentlicher Hand und 78 Prozent der Firmen in der Privatwirtschaft sind nicht professionell gegen derartige Vergehen geschützt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Leipzig und der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfer RölfsPartner. Nach eigenen Angaben ist es die erste Umfrage, die sich mit der Opferseite von Wirtschaftsverbrechen befasst.

Das Thema ist akut: Von den 338 Unternehmen, die an der Erhebung teilnahmen, wurden mehr als ein Drittel während des einjährigen Untersuchungszeitraums Opfer. Das Problem: „Viele Firmen haben noch kein Bewusstsein für das Problem und entdecken die Vergehen im eigenen Haus erst gar nicht“, sagt Dieter John, Vorstand bei RölfsPartner.

Andere wiederum hätten sich nach Vorfällen an die Rolle des „hilflosen Opfers“ gewöhnt, was es den Tätern um so einfacher mache. Oft würden die Vergehen erst bei einer wirtschaftlichen Schieflage entdeckt.

Entscheidend seien Strukturen und Instrumente wie ein Verhaltenskodex oder eine transparente Dokumentation von Entscheidungen, die Mitarbeiter dazu bringen, die Regeln einzuhalten — das sogenannte Compliance. „Sie schrecken Täter ab und erhöhen das Risiko, erwischt zu werden“, so John. Ziel sei aber kein „Überwachungsstaat, sondern beispielsweise klare Ansprechpartner für die, denen Unregelmäßigkeiten auffallen“.

Die Studie sortiert die Teilnehmerfirmen in vier Stufen von „ungeschützt“ bis „professionell geschützt“ ein. Nur rund ein Viertel kommt in die oberen beiden Kategorien. „Rechnet man aber hinzu, dass viele Firmen an der Umfrage gar nicht teilgenommen haben, weil sie keinen Compliance-Beauftragten haben, steigt die Dunkelziffer der schutzlosen Firmen drastisch an“, rechnet Hendrik Schneider, Kriminologie-Professor der Uni Leipzig vor. Große Konzerne seien in der Regel besser aufgestellt als kleinere Firmen.

Zugleich klafft eine Lücke zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor: „Der öffentliche Bereich läuft immer hinterher“, sagt Alexander Wagner von RölfsPartner. Bei der Privatisierung sei zwar die Rechtsform geändert worden, aber nur selten die Strukturen. Verhaltenskodices gebe es viel seltener als im privaten Sektor.

„Was erstaunlich ist, da die rechtlichen Vorgaben eigentlich viel strenger sind“, bilanziert Dieter John. Schuld sei oft der finanzielle Druck auf die Firmen, während die Verflechtung von Wirtschaft und Politik zu mangelhafter Kontrolle führe.