Kampf gegen Krise: EZB bereit zum Kauf von Schrottpapieren
Frankfurt/Neapel (dpa) - Die EZB will Banken durch den Kauf von Kreditpaketen entlasten und ist dabei grundsätzlich auch bereit zum Erwerb von Ramschpapieren.
Die Notenbank werde aber vorsichtig vorgehen, versicherte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag nach der auswärtigen Sitzung des EZB-Rates im süditalienischen Neapel.
„Wir glauben, dass unsere Maßnahmen einen spürbaren Effekt haben werden“, betonte Draghi. Das Geld im Euroraum machten Europas Währungshüter indes nicht noch billiger: Nach der überraschenden Zinssenkung von 0,15 auf 0,05 Prozent im September verharrt der Leitzins auf diesem Rekordtief. Der Strafzins für bei der Europäischen Zentralbank (EZB) geparktes Geld bleibt bei 0,2 Prozent.
In der zweiten Oktoberhälfte will die EZB mit dem Erwerb von Pfandbriefen (Covered Bonds) beginnen. Im vierten Quartal folgt der Einstieg in den Kauf von Kreditverbriefungen (Asset Backed Securities/ABS). Beide Programme sollen zwei Jahre laufen.
ABS funktionieren so: Kredite werden gebündelt, das Paket wird als Wertpapier an Investoren weiterverkauft. Dadurch werden Risiken breiter gestreut - aber gleichzeitig auch verschleiert. Solche Kreditpakete gelten als Mitauslöser der Finanzkrise 2007/2008. Die EZB argumentiert, europäische Papiere seien viel seltener ausgefallen als US-Papiere.
Im Rahmen ihres neuen Programms ist die EZB bereit, auch ABS-Papiere zu erwerben, die aus Ländern mit einem Kreditrating von weniger als „BBB-“ kommen - die also von den Ratingagenturen als Ramsch bewertet werden. Dazu zählen beispielsweise Griechenland und Zypern. Zum Umfang der beiden Kaufprogramme machte die EZB keine genauen Angaben. Das theoretisch mögliche Volumen von einer Billion Euro dürfte die Notenbank aber nicht ausschöpfen, sagte Draghi. Mit den Käufen will die EZB Banken Freiräume zur Vergabe von Krediten verschaffen.
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn kritisierte das Vorhaben erneut scharf: „Die EZB wird damit vollends zu einer Bail-out-Behörde und einer Bad Bank Europas“, ließ Sinn in München erklären. „Die EZB will offenbar auch Schrott kaufen und erhöht auf diese Weise die Belastung für die Steuerzahler, wenn es Ausfälle gibt.“
Draghi betonte: Sollten wegen einer zu lange andauernden Phase niedriger Inflationsraten weitere Schritte nötig sein, sei der EZB-Rat einig, notfalls „weitere unkonventionelle Maßnahmen im Rahmen unseres Mandats zu ergreifen“. Denkbar ist etwa der breitangelegte Kauf von Anleihen („Quantitative Easing“/QE).
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) warnte: „Eines muss klar sein: Das ABS-Programm darf nicht der Einstieg in ein breit angelegtes Quantitative Easing sein, was dann auch den Ankauf von Staatsanleihen umfassen würde. Das wäre der Schritt hin in die Staatsfinanzierung und würde das Mandat der EZB endgültig überdehnen.“
Seit Monaten liegt die Jahresteuerung in den 18 Ländern mit der Gemeinschaftswährung deutlich unter der EZB-Zielmarke von knapp unter 2,0 Prozent. Im September fiel die Inflation im Euroraum auf 0,3 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit fast fünf Jahren. Hartnäckig hält sich die Sorge vor einer Deflation, also einem für die Konjunktur gefährlichen Preisverfall auf breiter Front.
Draghi betonte: „Unser Inflationsziel ist der Maßstab, an dem wir alle unsere Maßnahmen und alles, was wir künftig tun, messen.“ Noch stimuliere die jüngste Geldflut die Wirtschaft nicht so deutlich wie gewünscht. Die EZB zweifele aber nicht an der Wirksamkeit. Draghi mahnte gleichwohl: „Wir brauchen auch Strukturreformen.“
Der EZB-Rat tagt turnusgemäß zweimal jährlich außerhalb Frankfurts. In Neapel protestierten am Donnerstag nach Angaben der italienische Nachrichtenagentur Ansa einige Tausend Menschen gegen die Folgen der Anti-Krisenpolitik in Europa und die EZB-Maßnahmen. Die Veranstalter sprachen von 4000 Teilnehmern. Einsatzkräfte gingen mit Wasserwerfern vor. Ein Demonstrant wurde festgenommen, weil er versucht hatte, auf das streng abgeriegelte EZB-Tagungsgelände zu gelangen.